Aufarbeitung oder Schmutzkampagne: Wurde Manuela Schwesig vom Kreml gelenkt?
Debatte zu Nord Stream 2 im Landtag von Schwerin. Opposition wirft Ministerpräsidentin vor, zu eng mit Gazprom-Tochter verbunden gewesen zu sein. Warum Sozialdemokraten von einer Schmutzkampagne sprechen.
Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 hat am Dienstag für Aufregung im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gesorgt. In einer Sondersitzung stellte sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) den Vorwürfen, ihr Regierungshandeln sei direkt vom russischen Staatskonzern Gazprom gelenkt worden.
Im Mittelpunkt der Debatte stand die sogenannte Klimastiftung MV, die gegründet wurde, um den Bau der Pipeline abschließen zu können. Schwesig wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, seit 2017 von der Nord Stream 2 AG engmaschig auf dem Laufenden gehalten worden zu sein. Darüber sei sie mit Argumenten versorgt worden und Strategien seien mit ihr abgestimmt worden.
Die Regierungsfraktion aus Sozialdemokraten und Linken hatten der Opposition vorgeworfen, eine Schmutzkampagne gegen die Koalition zu führen. Untermauert wurde dieser Eindruck durch Berichte der Ostsee-Zeitung und Bild. Beide Blätter hatten am Dienstag E-Mails veröffentlicht, welche die Vorwürfe gegen Schwesig belegen sollten.
Hatte die Ostsee-Zeitung noch versucht, sachlich zu berichten, so titelte Bild dagegen: "Wie der Kreml Schwesig lenkte". Der Einfluss von Nord-Stream-Sprecher Steffen Ebert auf die Schweriner Landesregierung habe "von Information über Indoktrination bis zur Einladung zu Events" gereicht. Das werfe die Frage auf: "Welcher Politiker kann permanenter Beeinflussung widerstehen?".
Die aufgelisteten E-Mails sind dagegen weniger spektakulär. Sie sind eher ein Zeugnis klassischer Lobbyarbeit: Studien und Argumentationshilfen werden zugespielt, Termine werden erbeten und es wird sich dafür bedankt, dass Schwesig sich auch gegen Widerstände für die Pipeline einsetzt.
Das ist nicht ungewöhnlich, sondern das, was andere Interessenverbände und Unternehmen ebenfalls tun. Die Organisation Lobbycontrol hat dazu etliche Studien veröffentlicht. Dass an dieser Stelle mit zweierlei Maß gemessen wird, dürfte dem Krieg in der Ukraine geschuldet sein, in dem die Bundesrepublik klar Partei ergreift.
Aber vor dem Hintergrund der jüngsten Lobbycontrol-Studie "Pipelines in die Politik" wirkt die Kritik an Schwesig an einigen Stellen auch aufgeblasen. Etwa als sie davon sprach, Erdgas sei ein Zwischenschritt auf dem Weg zu den erneuerbaren Energien. Das ist keine schlichte Einflüsterung der Nord Stream 2 AG, sondern mit diesem Argument geht die deutsche Gaslobby seit Jahren hausieren.
Auf den Bericht der Ostsee-Zeitung reagierte die Schweriner Staatskanzlei mit einer langen Erklärung. Die Landesregierung habe ihre Entscheidungen immer eigenständig getroffen. "Die Ministerpräsidentin und ihre Landesregierung haben sich damals aus voller Überzeugung für den Bau der Ostseepipeline eingesetzt."
Und damit habe man nicht allein gestanden, denn auch die ehemalige Bundesregierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), große Teile der deutschen Wirtschaft und eine klare Mehrheit der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern habe das Pipeline-Projekt befürwortet. Im Januar 2021 hätten sich 71 Prozent dafür ausgesprochen, weil man es als wichtig für die Energieversorgung Deutschlands eingeschätzt habe.
Außerdem sei es absurd, heißt es in der Erklärung weiter, dass Schwesigs Handeln auf "E-Mails und Newsletter von Nord Stream 2" zurückzuführen. Diese Nachrichten seien an das öffentliche Postfach der Ministerpräsidentin geschickt worden, so wie täglich viele andere auch. "Das bedeutet nicht automatisch, dass die Nachrichten auch von der Ministerpräsidentin persönlich zur Kenntnis genommen wurden."
Entsprechend wies Schwesig in der Landtagsdebatte sämtliche Vorwürfe von sich. Es habe in den vergangenen Wochen viele Behauptungen, Unterstellungen bis zu Verschwörungstheorien gegeben, sagte sie und betonte: "Ich will ganz klar sagen: Da ist nichts dran".
Die Opposition aus CDU, FDP und Grünen will ihr das aber nicht glauben. Hannes Damm (Grüne) bezweifelte laut Ostsee-Zeitung, dass die Staatskanzlei dem Untersuchungsausschuss alle Dokumente zum Thema übergeben habe.
Besonders stutzig hat ihn scheinbar gemacht, dass nur die Inhalte von E-Mails, aber keine Kurznachrichten übermittelt wurden. Schwesig antworte Damm demnach: "Ich nutze gar nicht WhatsApp auf dem Diensthandy, weil es verboten ist."
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