Aufklärung unerwünscht

Seite 2: Die vermeintlichen "Einzeltäter"

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In einigen bedeutsamen Anschlägen der deutschen Terrorjahre zwischen 1970 und 1990 klärt sich über Einsicht in Justiz- oder Stasiakten hingegen auf, dass in ihnen keineswegs nur Einzeltäter agierten, die gerne auch als psychisch labil ausgegeben wurden, sondern dass hinter den Attentätern rechtsterroristische, neonazistische Zusammenhänge bestanden, in denen - als Kampffeld des Kalten Krieges - West- und Ostagenten tätig waren.

Die waren nicht als stille V-Leute, Informanten oder Spitzel zu Gange, sondern führten als Agents provocateurs selbst Anschläge durch. Hierfür haben sich bereits deutliche Spuren in Sachen Kurras, Benno Ohnesorg, Josef Bachmann und Rudi Dutschke gezeigt. Selbst bei der Bombenexplosion auf dem Oktoberfest 1980 zeigen sich Geheimdienstschatten.

Während die Justiz beim Oktoberfestattentat von 1980 bis heute beharrlich davon ausgeht, dass dieser Anschlag mit 13 Toten und 211 Verletzten nur von dem beim Anschlag umgekommenen Attentäter Gundolf Köhler verübt wurde, zeigen Stasiakten und Recherchen findiger Journalisten, dass der Attentäter in ein rechtsterroristisches Netz eingebunden war. In alten Justizakten kann man heute nachlesen, dass man von diesem Verbindungsnetz damals sogar Kenntnis hatte. Doch um zu verharmlosen und möglicherweise die eigenen V-Männer zu schützen, wurde - bis heute - dazu geschwiegen.

Demonstrationszug "25 Jahre Oktoberfestattentat" in München (2005). Bild: Rufus46. Lizenz: CC-BY-3.0

Das galt und gilt auch für den Anschlag auf Studentenführer Rudi Dutschke 1967. Auch da hieß es, der Attentäter Josef Bachmann sei ein "verirrter Einzeltäter" ohne organisatorische Anbindung. Vor ein paar Jahren wurde jedoch seine Mitgliedschaft in der rechtsterroristischen Braunschweiger Gruppe aufgedeckt, von der er auch seine Waffe bezog. Das Mitglied Wolfgang Sachse bekannte sogar: "Wir wurden von der Polizei in jeder Beziehung gedeckt".4 Über das Mitglied Dieter Lepzien deckte Ulrich Chaussy, der Chronist des Dutschke-Anschlages, auf, dass er für den Verfassungsschutz in der Gruppe als Agent Provocateur tätig war. Und in Stasi-Akten zeigt sich, dass Lepzien wie Hepp gleichzeitig auch Agent der Stasi war.

Zur Zeit des Prozesses gegen Bachmann ging man auch hier dem Gruppentreiben nicht nach. Chaussy konstatiert zu Lepzien, dem "Sicherheitsexperten" und Bombenbauer der Gruppe: "Was er machte, ist weit über nachrichtendienstliche Tätigkeiten hinausgegangen. Man hat ihn sehr weit gewähren lassen."5 Schon 2002 fragte der Berliner Journalist Burkhard Schröder zum Treiben von Lepzien in der Braunschweiger Gruppe: "Fördert der Verfassungsschutz die von ihm durch V-Leute überwachte rechte Szene?"

Heute geht die Öffentlichkeit über diese verstörende Frage noch hinaus und sucht Antworten danach, wer eigentlich genau und warum ein geheimdienstliches Interesse an der Förderung des Rechtsterrorismus hat.

Auch in Sachen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) heißt es: Die Gruppe bestand nur aus den drei bekannten Mitgliedern, allenfalls habe es sporadisch schon mal Helfershelfer gegeben. Über Zeugen aber ist ein von offizieller Seite geleugnetes weitverzweigtes terroristisches Netz deutlich geworden.

Und auch hier steht der begründete Verdacht im Raum, dass der Geheimdienst polizeiliche Ermittlungen behindert hat und Attentäter deckt.

Es gehört zum Standard eines jeden unaufgeklärten Terroranschlags, sei es in Italien oder bei uns, dass man auf vermeintlich unerklärbare Ermittlungspannen stößt, Beweismittel oder Akten scheinbar fahrlässig vernichtet werden oder abhandenkommen und Vertreter der Staatsorgane die Täter interessanterweise als "hoch professionell" charakterisieren. Auch bei den unaufgeklärten Terroranschlägen der 80er Jahre von der so genannten 3. RAF-Generation hieß es "hoch professionell".

Damals wie heute scheinen die V-Leute nicht wirklich gedacht für eine Verhinderung von Anschlägen. Denn seinerzeit, in den 80er Jahren waren die Medien wohl voll von Berichten über linksterroristische Anschläge. Wer aber hätte gedacht, dass laut offizieller Statistiken den rechtsterroristischen Anschlägen sehr viel mehr Menschen zum Opfer fielen? Berichtet wurde uns das nicht. Der sprunghafte Anstieg rechtsradikaler Gewaltdelikte ereignete sich genau in der Zeit, in der West- und insbesondere auch Ost-Geheimdienste ihren Blick auf Rechtsradikale fokussierten.

Parallelen zwischen dem NSU und der Hepp-Kexel-Gruppe

Einer der bekanntesten Rechtsterroristen der 80er Jahre war Odfried Hepp, bekennender Westagent und auch für die Stasi tätig (s. Teil 2). Er war Mitglied der nationalsozialistischen Aufbauorganisation NSDAP/AO und der Wehrsportgruppe Hoffmann. Nachdem er sich mit denen überworfen hatte, gründete er mit Walter Kexel 1982 die Hepp-Kexel-Gruppe. Die verübte vor allem Sprengstoffanschläge auf amerikanische Einrichtungen und Soldaten. Man verdächtigt sie zudem am 9. August 1982 an einem antisemitischen Anschlag der Abu-Nidal-Gruppe in Paris mit sechs Toten und 22 Verletzten teilgenommen zu haben.

Auffallend sind die Ähnlichkeiten zwischen der Hepp-Kexel-Gruppe und dem NSU. Beide terroristischen Gruppen finanzierten sich über Banküberfälle, beide legten nach Art paramilitärischer Einheiten Erddepots für Waffen- und Sprengstoff an und verübten Sprengstoffanschläge. Und bei beiden gab es mysteriöse Todesumstände von Führungskadern. Hepp kommentierte den Tod seines Kameraden Kexel 1985 im Gefängnis mit dem Verdacht, dass hier aus Furcht vor Geheimnisverrat eines Mitstreiters nur ein Geheimdienst dahinter stecken könne. Warum heute keine Lehren aus der Hepp-Kexel-Gruppe gezogen werden und daraus z.B. in den Ermittlungen auch ein Zusammenhang der NSU-Banküberfälle und der NSU-Mordanschläge hätte früher gezogen werden können, bleibt unerklärlich.

In Teil 2: Nazis bei der Stasi und rechtsterroristische Doppelagenten

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