Ausgebeutet und überzüchtet: Wie viel ist uns ein Schweineleben wert?
Seite 2: Höhere Feinstaubbelastung durch Ammoniak
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Nicht nur Mastschweine mit ihren hochempfindlichen Nasen leiden unter den aufsteigenden Schadgasen der Exkremente, die in den Ställen durch die Spaltenböden nach oben dringen. Aufsteigendes Ammoniak verbreitet sich in der Luft und verbindet sich mit Stickoxiden aus Auto- und Industrieabgasen.
Glaubt man Professor Jos Lelieveld, Leiter einer aktuellen Studie, so kommt es in Deutschland zu 120.000 vorzeitigen Todesfällen durch Feinstaub. Könnte man diese Ammoniak-Emissionen sofort unterbinden, könnten sich die verfrühten Sterbefälle um mehr als 50.000 Fälle reduzieren.
Obwohl sich Deutschland bereits 2001 dazu verpflichtet hat, die Ammoniak-Emissionen ab 2010 unter einen Wert von 550.000 Tonnen zu begrenzen, liegt der Wert seit Jahren etwa 20 Prozent darüber. Nichts sei in den letzten Jahren passiert, kritisiert der EU-Abgeordnete Martin Häusling von den Grünen, um die selbst gesteckten Ziele annähernd einzuhalten.
Professor Thomas Münzel zufolge führt Feinstaub zu Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Europaweit könnten Millionen an vorzeitigen Todesfällen durch Feinstaub vermieden werden, glaubt der Direktor der Kardiologie im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz, würden die europäischen auf amerikanische Grenzwerte reduziert werden.
Der Zusammenhang zwischen Massentierhaltung und Feinstaubbelastung ist schon länger bekannt. Im Jahr 2016 gelangten 663.000 Tonnen Ammoniak in die Luft. Bodennahe Einbringungstechniken, Filteranlagen in den Ställen oder das Abdecken von Güllebehältern könnten die Feinstaubbelastungen erheblich verringern.
Optimierungszwang für Biomäster?
Weitaus effektiver wäre es allerdings, die Tierbestände zu verkleinern. Mit konventioneller Schweinemast, in der immer mehr Schweine im Stall stehen müssen, damit der Betrieb in den schwarzen Zahlen bleibt, lässt sich kaum noch was verdienen. Immer mehr Mäster geben ihre Betriebe auf.
Wenige wagen den Schritt zur Umstellung auf Bio - so wie Christian Precht bei Soltau, der in den Umbau seines Stalles investierte und heute Biomastschweine auf Stroh mit viel Bewegungsfreiheit hält. Die Sauen robuster Rassen werfen zwar weniger Ferkel, dafür erzielt er höhere Preise pro Tier.
2017 hat sich die Anzahl der Öko-Mastschweine hierzulande auf mehr als 133.000 Tiere erhöht. So ließ sich im letzten Jahr mit Bio-Schweinefleisch 2,5 Mal mehr verdienen als mit Fleisch aus konventioneller Mast. Dennoch ist der Biofleischmarkt mit weniger als einem Prozent aller Mastschweine extrem klein.
Dazu kommt: Steigende Kosten zwingen auch Bio-Schweinemäster, ihre Leistungen zu optimieren. Der niedersächsischen Landwirtschaftskammer zu Folge sind mindestens 22 aufgezogene Ferkel pro Sau und Jahr und 800 Gramm tägliche Zunahmen nötig, um rentabel zu wirtschaften.
Waldweide mit Eichelschweinen
Eine traditionelle Form der Schweinehaltung, die dem ursprünglichen Leben eines Schweines sehr nahe kommt, hat Hans-Hinrich Huss in einem Wald in Unterfranken wieder aufleben lassen. Im Sommer, wenn die ersten Eicheln fallen, treibt der Tierhalter seine 140 Eichelschweine, von denen die ältesten zehn Monate alt sind, in einen Wald.
Hier stehen riesige Eichen, die alle anderen Bäume überragen. Ein konventionelles Mastschwein wird nach etwa 140 Tagen geschlachtet. Die Tiere wurden aus der Deutschen Landrasse und Duroc herausgekreuzt sind, einer Rasse mit besonders hohem intramuskulären Fettanteil.
Die Schweine fressen, was sie im Wald finden: neben Eicheln, Würmer, Schnecken, Käfer, Moos, Rinden, Blätter und Kräuter. Es ist die Kombination aus Eicheln und viel Bewegung, die ein qualitativ hochwertiges Fleisch entstehen lässt. Denn weil sich die Tiere viel bewegen, enthält ihr Fleisch weniger Wasser.
Gleichzeitig nützt es dem Wald, denn das Wühlen im Untergrund legt den Mineralboden offen, so dass herunterfallende Eicheln darin besser keimen können. Die Eichelmast scheint sich auch finanziell zu lohnen: Der Preis für ein Kilogramm Fleisch aus Eichelschweinen ist vier Mal so hoch als der für konventionelles Schweinefleisch.
Auch im bayerischen Gunzendorf entdeckte eine Bauernfamilie den Hutewald für ihre Tiere wieder. Seit einigen Jahren leben ihre Schweine und Hühner in einfachen Hütten mitten im Wald. Sie suhlen sich draußen im Schlamm und in Tümpeln. Die Hühner fressen Fliegen und Parasiten, dafür halten die Schweine Fuchs und Marder fern. Und beim Wühlen in der Erde können sie ihre Urinstinkte ausleben.
Unsere Mastschweine ernähren uns mit ihrem Fleisch. Im Gegenzug sollen sie ein möglichst artgerechtes Leben führen dürfen. Das hochwertigere Fleisch, das eine geringere Zahl von Bio-Schweinen erzeugt, ist teurer als das aus konventioneller Mast.
Das ist nur konsequent, denn Schweinehalter wollen auch mit weniger Tieren ein Einkommen erwirtschaften, von dem sie leben können. Würde insgesamt weniger Fleisch gekauft und gegessen, würden alle davon profitieren: Konsumenten, Tierhalter und Tiere. Ohnehin wird sich ein eingeschränkter Fleischkonsum nicht vermeiden lassen, wollen künftig alle Menschen auf dem Planeten überleben.