Ausspähen mit Maulkorberlass
Bei der Jagd auf Journalisten, die geheime Informationen veröffentlicht haben, greift die Bush-Regierung auf das durch den Patriot Act erweiterte Instrument der "National Security Letters" zurück, um Informationen ohne richterliche Genehmigung und unter Geheimhaltspflicht einzuholen
Der amerikanische Kongress steht hinter dem Weißen Haus und hat den Patriot Act mit einigen kleineren Veränderungen verlängert. Bis auf zwei Maßnahmen werden alle erweiterten Befugnisse, beispielsweise heimlich Telefone abhören, leichter auf Daten von Banken oder Bibliotheken zugreifen oder Wohnungen Verdächtiger durchsuchen zu können, auf unbegrenzte Zeit verlängert. Leicht beschränkt wird die Ausstellung von National Security Letters, mit denen die Sicherheitsbehörden geheim und ohne richterliche Genehmigung Einsicht in Daten erhalten können, die dann in staatlichen Datenbanken gespeichert werden und verfügbar bleiben. Nur Bibliotheken ohne Internetzugang sind nun davon ausgeschlossen. Jährlich werden mindestens 30.000 dieser „Briefe“ zugestellt. In letzter Zeit wurden sie auch im Rahmen der vom Weißen Haus angestrengten Verfolgung von Whistleblowers an Medien verschickt, die darüber aber eigentlich nicht berichten dürfen.
Das FBI hat vom Weißen Haus den Auftrag erhalten, die zahlreichen Fälle zu untersuchen, bei denen geheime Dokumente den Medien zugespielt wurden (Zeuge berichtet von Abu Ghraib). Dabei werden Angestellte von Regierungsbehörden, aber auch Journalisten ins Visier genommen. So wurden viele Mitarbeiter der Geheimdienste befragt, um die undichten Stellen zu eruieren, durch die etwa die Informationen über Geheimgefängnisse der CIA und das heimliche Lauschprogramm der NSA an die Öffentlichkeit gelangt sind. Journalisten wird gedroht, sie nicht nur wegen der Veröffentlichung anzuklagen, sondern womöglich auch schon, wenn sie nur geheime Informationen erhalten haben.
Es gibt den Ton einer genussvollen Schadenfreude in der Weise, wie sie darüber sprechen, Journalisten vor Gericht zu zerren, in ihrem Verlangen, Informationen zurückzuhalten, und in den Hinweisen, dass Journalisten, die zu genau in die Geschäftspraktiken schauen, riskieren, als Verräter abgestempelt zu werden. Ich weiß nicht, inwieweit den Worten Taten folgen, aber manchmal klingt das so, als ob die Regierung den Krieg im eigenen Land gegen die Prinzipien erklärt, die sie verspricht, im Ausland zu stärken.
New York Times Executive Editor Bill Keller
Wie die Washington Post schreibt, gibt es über Fälle, in denen das FBI Untersuchungen eingeleitet hat, kaum Informationen. Das liegt daran, dass nach dem Patriot Act bei den National Security Letters (Standardbrief) Stillschweigen verordnet wird. Doug Thompson, Herausgeber und Eigentümer von Capitol Hill Blue, der auch einen solchen „Brief“ erhalten hat, macht die Absurdität, aber auch die Risiken deutlich, die mit einer solchen Geheimhaltung über Aktionen der Sicherheitsbehörden einhergehen. Nach Thompson werden zahlreiche Journalisten in Washington überwacht. Hunderte von "National Security Letters" seien in den letzten Wochen an Unternehmen, Banken, Kreditfirmen, Büchereien und andere Institutionen gesandt worden, um Informationen über Journalisten zu erhalten.
Der Brief an Capitol Hill Blue verlangte Daten über die Website und Doug Thompson, der allerdings nicht nur Autor, sondern zugleich der Eigentümer der Firma ist. Thompson machte sich darüber lustig: „Die Feds verlangen von mir, Informationen weiterzugeben und mir nicht selbst zu sagen, dass ich dies tue. Man sollte meinen, dass sie das besser wissen müssten.“ Thompson führt in einem späteren Artikel aus, wie sich möglicherweise über den Fall im Rahmen der „gag order“ berichten ließe, um keine Strafverfolgung auf sich zu ziehen:
An einem nicht näher genannten Tag in der letzten Woche überbrachte ein Angestellter einer Bundesbehörde, die nicht genannt werden darf, ein Dokument, das nicht näher beschrieben werden darf, an ein Unternehmen, das nicht genannt werden darf, um Informationen einzuholen, die nicht aufgeführt werden können. Der Eigentümer, der anonym bleiben muss, wies den Angestellten an, das Dokument einem Rechtsanwalt zuzustellen, dessen Name durch die Vertraulichkeit des Anwalt-Klient-Verhältnisses geschützt ist. …
Mit der Zustimmung des Eigentümers, der anonym bleiben muss, trat der Rechtsanwalt, dessen Namen geschützt ist, mit einem Staatsanwalt, der verlangte, dass sein Name vertraulich bleiben müsse, in Verbindung. Der Staatsanwalt, der verlangte, dass sein Name vertraulich bleiben müsse, behauptete, dass der Eigentümer, der anonym bleiben muss, ein Gesetz verletzt habe, das nicht genannt werden darf, und mit einer Gefängnisstrafe aufgrund von Klagen rechnen müsse, die nicht näher ausgeführt werden dürfen, weil er sich in einem Artikel für eine bestimmte, aber nicht genannte Website auf ein Dokument bezogen hat, das nicht beschrieben werden darf.
Das geht so weiter. Der Anwalt führte nach Thompson an, sein Klient könne nicht angeklagt werden, weil er als Journalist und nicht als Eigentümer aufgetreten sei und den genauen Inhalt des Dokuments nicht gekannt habe. Der Staatsanwalt akzeptierte dies, aber warnte, dass der Eigentümer sich gefährlich auf der Grenze zwischen legal und illegal bewege. Thompson, der nicht genannt werden darf, schließt:
Indem er sich auf der Grenze zwischen legal und illegal bewegt, kann der Eigentümer, der anonym bleiben muss, eine Haft in einer Institution an einem unbekannten Ort für eine unbestimmte Zeit vermeiden. Im Austausch für seine Freiheit stimmte der Eigentümer, der anonym bleiben muss, zu, eine „Klarstellung“ nach den von der Bush-Regierung festgelegten Veröffentlichungsrichtlinien zu schreiben.
Ja, und genau so ist der Fall wohl gewesen.