Auswirkungen der Sonnenfinsternis auf Stromerzeugung beherrschbar
Glättung der Schwankungen mittels Pumpspeicherwerken möglich
Ebenso wie in 2014 kann der 20. März dieses Jahr ein weitgehender wolkenloser Tag in Deutschland werden. In diesem Fall könnte im Zeitraum der Sonnenfinsternis (SoFi) die Stromerzeugung aus Solarstromanlagen pro Minute um maximal 272 Megawatt (MW) abnehmen und um bis zu 348 MW zunehmen. Das zeigen Simulationsergebnisse einer Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW).
Am 20. März besteht in Mitteleuropa die Gelegenheit, das besondere Naturschauspiel einer partiellen Sonnenfinsternis (SoFi) zu beobachten. Dabei bedeckt der Mond die Sonne, und der Schatten des Mondes trifft auf die Erdoberfläche.
Während sich Hobbyastronomen auf das besondere Ereignis freuen, sorgen sich manche Unternehmer aus der Energiewirtschaft um die Stabilität der Stromversorgung. Als Grund nennen sie den Ausbau der Solarstromanlagen (auch Photovoltaikanlagen genannt) in Deutschland. Im Gegensatz zur Situation während der letzten partiellen SoFi im August 1999 wurde der Anteil der Erneuerbaren Energien in Deutschland sehr stark ausgebaut. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurde bis Ende Januar 2015 eine Nennleistung von 38,4 Gigawatt (GW) an Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) ans Stromnetz angeschlossen.
Gemäß einer Pressemeldung des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW würde "die Sonnenfinsternis das Stromversorgungssystem deutschland- und europaweit vor eine große Herausforderung" stellen. Nach Angaben des Unternehmens seien zu Beginn der Sonnenfinsternis etwa 25 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland durch Solarstrom gedeckt. Die entsprechende Anlagenleistung wird mit rund 16 Gigawatt (GW) angegeben. Diese Einspeiseleistung könnte innerhalb von drei Stunden auf 4 GW wegfallen und zur Mittagszeit auf etwa 24 GW ansteigen. Laut Geschäftsführer Rainer Joswig stellt die Sonnenfinsternis eine große Herausforderung für die Übertragungsnetzbetreiber dar. Aufgrund ihrer Vorhersagbarkeit ist sie jedoch beherrschbar.
In der Studie der HTW wurden mögliche Effekte der SoFi untersucht. Eine der Kernaussagen der Analyse lautet: "Die Auswirkungen der Sonnenfinsternis auf die Solarstromerzeugung und auf das Stromversorgungssystem in Deutschland hängen stark von der Wetterlage ab, sind aber kalkulierbar und beherrschbar." Zudem fällt das Ende der Sonnenfinsternis in Deutschland nahezu mit dem Zeitpunkt der maximalen PV-Leistungsabgabe zusammen. Zur Glättung der Stromschwankungen im Zeitraum der Sonnenfinsternis empfehlen die Autoren den Einsatz der Pumpspeicherwerke in Deutschland. Als alternative Ausgleichsoption könnten schnell regelbare Gaskraftwerke genutzt werden. Um auch zukünftig bei Leistungsschwankungen im Stromversorgungssystem den Ausgleichsbedarf zu decken, empfehlen die Autoren den Zubau von Speicherkapazitäten.
Nach Auskunft von Catrin Glücksmann, Pressesprecherin von TransnetBW, steht noch nicht fest, ob tatsächlich vermehrt Pumpspeicherwerke am Freitag zum Einsatz kommen werden. Oder Gaskraftwerke. "Die Ausschreibungen beginnen am Mittwoch, wenn die Wetterprognosen vorliegen", teilt sie auf Rückfrage mit.
Simulationsergebnisse für den bereitgestellten Solarstrom
In Simulationsberechnungen im Rahmen der HTW-Studie wurden mögliche Auswirkungen der Sonnenfinsternis auf die Solarstromerzeugung in Deutschland untersucht. Die Wissenschaftler nutzten dazu Daten zur räumlichen Verteilung der über 1,4 Millionen installierten PV-Anlagen. Im Rahmen der Analyse wurde der Tagesverlauf der gesamten PV-Erzeugungsleistung in Deutschland mit einer zeitlichen Auflösung von 1 min ermittelt.
Um mögliche regionale Unterschiede in der Solarstrom-Erzeugung innerhalb Deutschlands aufzuzeigen, wurde die gesamte Erzeugungsleistung für jede Regelzone der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) bestimmt. Die vier ÜNB sind die Unternehmen TenneT TSO GmbH, Amprion GmbH, 50Hertz Transmission GmbH und TransnetBW. In den Ganglinien der PV-Erzeugung zeigen die Simulationsergebnisse regionale Unterschiede. Dennoch handelt es sich bei der Sonnenfinsternis um ein Ereignis mit hoher Gleichzeitigkeit.
Ohne Einfluss der Sonnenfinsternis ist bei einer installierten PV-Leistung von rund 39 GW eine Zunahme der Stromerzeugung aus Solarstromanlagen um etwa 100 MW pro Minute typisch. Bei wolkenlosem Himmel kann im Zeitraum der Sonnenfinsternis eine Abnahme der gesamten PV-Erzeugung um bis zu 272 MW pro Minute und eine Zunahme um maximal 348 MW pro Minute erwartet werden. Das bedeutet: Bei wolkenlosem Himmel können minütliche Leistungsgradienten auftreten, die bei Erzeugungszunahme das 3,5-fache und bei Erzeugungsabnahme das 2,7-fache der üblichen maximalen PV-Leistungsgradienten an sonnigen Tagen betragen. Bei bedecktem Himmel ist lediglich mit Gradienten zwischen -40 MW und +52 MW pro Minute zu rechnen.
Simulationsergebnisse für den Bedeckungsgrad
Der Bedeckungsgrad variiert je nach geografischer Lage, da Mond- und Sonnenposition am Himmel vom Standpunkt abhängig sind. Deshalb wurde in der HTW-Studie der zeitliche Verlauf des Bedeckungsgrads für insgesamt 359.586 Standorte in einem Raster von 1x1 Kilometern bestimmt. Für jeden Zeitpunkt wurde der minimale und maximale Bedeckungsgrad der Sonne durch den Mond bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass dieser Wert während der Sonnenfinsternis im Norden Deutschlands größer als im südlichen Bundesgebiet ausfällt. Außerdem ändert sich im Verlauf der Sonnenfinsternis der Standort des höchsten Bedeckungsgrads. Zeitweise ereignet sich diese höchste Bedeckung auf einzelnen Inseln in der Nordsee.
Nach den Simulationen liegt nach Sonnenaufgang die absolute PV-Leistung in der östlich gelegenen 50Hertz-Regelzone zunächst höher als in der überwiegend westlich gelegenen Regelzone von Amprion. Im Verlauf des Vormittags kehrt sich dieses Verhältnis jedoch um, da im Netzgebiet von Amprion eine höhere PV-Nennleistung installiert ist. Gemäß der Studie beträgt der Maximalwert der mittleren Bedeckung in Deutschland 73%, und wird um 10:43 Uhr erreicht. Je nach Standort liegt der maximale Bedeckungsgrad zwischen 65% und 83%.
Wo kann die totale Sonnenfinsternis beobachtet werden?
Die totale Sonnenfinsternis, also die vollständige Sonnenbedeckung durch den Mond, wird sich bei der Sonnenfinsternis vom 20. März nur in einem schmalen Streifen über dem Nordatlantik ereignen. Der Pfad wird südlich von Grönland (53° N) beginnen. Dieser Kernschatten wird nach Nordosten über die Inseln der Färöer und das norwegische Archipel Spitzbergen bis in unmittelbarer Nähe des Nordpols ziehen. Eine Animation der NASA veranschaulicht diesen Verlauf sehr gut.
Die größte SoFi soll nördlich der Färöer Inseln in einer geografischen Breite von 64°26' N erreicht werden. Die Totalität, die für den Standort berechnet wurde, sind 2 Minuten und 50 Sekunden. Für eine sichere Sonnenbeobachtung bietet das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Hinweise auf der Website an.