Autobus fährt Emails aus
Ein Team des MIT will einen neuen Weg gehen, um eine Brücke über den Digitalen Graben zu bauen, indem das vom alten FidoNet bekannte Store-and-Forward-Prinzip mit der WLAN-Technik kombiniert werden soll.
Die UNESCO schätzt, dass etwa die Hälfte aller Menschen bereits ein Telefonat geführt hat. Dagegen konnten zur Jahresmitte erst geschätzte 408 Mio. online gehen, 249 Mio. tun dies laut Nelsen NetRatings auch tatsächlich ("Active Internet Universe"). Diese Splittergruppe der Homo sapiens sapiens ist allerdings sehr ungleich über den Globus verteilt. Den Löwenanteil kriegt wieder einmal die "Erste Welt" ab, und der Bruchteil, der für den großen Rest überbleibt, ist wiederum den lokal Reichen vorbehalten.
Dieses "Digital Divide" genannte Phänomen wird mit unterschiedlichen Mitteln bekämpft, wie etwa einem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, generösen Software-Spenden (die auch in Verdacht geraten können, mehr der Steuerschonung, PR und Sicherung zukünftiger Umsätze zu dienen) oder der billigen Entsorgung ausgedienter Hardware. Einige Tropfen auf heiße Gebirge versuchen, mehr oder weniger erfolgreich, konkrete Bedürfnisse und Potenziale der digitalen Habenichtse zu erkennen und möglichst niedrigschwellige Lösungen zu entwerfen. Niedrigschwellig sowohl in psychologischer, als auch organisatorischer und nicht zuletzt finanzieller Hinsicht.
Einige solcher Tropfen könnte ein DakNet genanntes Projekt entstehen lassen. Moderne 802.11x-Technologie soll mit dem bereits vom FidoNet bekannten Store-and-Forward-Verfahren in Kombination mit der über 100 Jahre alten Legacy-Technik Verbrennungsmotor der ländlichen Bevölkerung Indiens digitale Kommunikation ermöglichen. Dörfer, die zwar fernab jeder Datenleitung gelegen sind, aber immerhin über eine halbwegs regelmäßige Autobusanbindung verfügen, würden demnach mit einem "Kiosk" ausgestattet. An einem solchen öffentlichen Kiosk könnten die Dorfbewohner Emails oder Videomessages verfassen. Letzteres ist in einer nur rudimentär alphabetisierten Umgebung ein wichtiges Feature.
Warten auf den WLAN-Bus
Der Kiosk speichert die Nachrichten (stromausfallsicher) zwischen und wartet auf den nächsten Omnibus. Sowohl Kiosk als auch Autobus sind mit WLAN-Hardware ausgerüstet. Kommt der Autobus in Reichweite eines Kiosk, werden die zwischengespeicherten Daten übermittelt. Auf seiner Route durch die Dörfer leert der Bus auf diese Weise die elektronischen Briefkästen. Erreicht er die nächste Metropole, werden die gesammelten Werke ins Internet weitergeleitet. Vor der nächsten Ausfahrt werden die eingetroffenen Antworten in den Autobus überspielt, welcher sie zu den Dörfern "austrägt" und dort gegen die inzwischen angehäuften Nachrichten austauscht. Store and Forward in Reinkultur.
Das DakNet-Projekt ist eine Kooperation des MIT Media Lab, dessen gemeinsam mit der indischen Regierung gegründeten Off-Spin Media Lab Asia und der in der MIT-Stadt Cambridge, Massachusetts, beheimateten Consultingfirma First Mile Solutions. Eine erste Demonstration wurde vom MIT Media Lab gesponsert und in einem Dorf namens Tikawali durchgeführt. In der Folge wurde ein Pilotversuch im südindischen Staat Karnataka gestartet. Dieser Pilotversuch ist mit einer Grundbuch-Digitalisierungs-Initiative namens Bhoomi gekoppelt. Die erfassten Daten können dank DakNet schneller und günstiger an zentrale Behörden übermittelt werden. Wieweit einzelne Menschen das System nutzen, ist noch nicht bekannt.
So einfach das System auch klingen mag, so gibt es noch viele Probleme zu lösen. Neben der natürlich besonders diffizilen Finanzierungsfrage gibt es auch Schwierigkeiten mit der Stromversorgung der Kioske. Die Dorfbewohner mit den neuen Möglichkeiten vertraut zu machen, ist eine Aufgabe, die viel Einfühlungsvermögen, Geduld und Zeit abverlangt. Ein Aufwand, der sich lohnen dürfte.