Automatisierte Überwachung der Fahrverbote "nicht verhältnismäßig"
Seite 2: Allgemeine Einschüchterungseffekte
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Schon diesem Eingriff der automatisierten Kennzeichenerfassung wurde "gewisses Gewicht" dadurch zugesprochen, dass er "die Wahrscheinlichkeit für anschließende staatliche Eingriffe anderer Art erhöht, wie etwa das Anhalten des Fahrzeugs, eine nachfolgende Identitätsfeststellung, gegebenenfalls auch eine Durchsuchung des Fahrzeugs oder eine Ingewahrsamnahme des Fahrers oder der Fahrzeuginsassen".
Da der Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Erfassung des Kennzeichens hinaus auch Fotos der Fahrzeuge, der Fahrer und der Insassen vorsieht, dürften die Maßnahmen "keine lediglich unerhebliche Eingriffsintensität" aufweisen, merken die Wissenschaftlichen Dienste an.
Daher können bei der automatisierten seriellen Erfassung von Daten einer großen Zahl von Personen, die keinen Erhebungsanlass gegeben haben, "allgemeine Einschüchterungseffekte entstehen, die zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen können".
Das Bundesverfassungsgericht mahnte bei bereits der automatischen Erfassung der Kennzeichen an, dass die Unbefangenheit des Verhaltens gefährdet werde, da die Streubreite solcher Maßnahmen und Risiken des Missbrauchs dazu beitragen würden, dass ein Gefühl des Überwachtwerdens entsteht.
"Bekanntes und bedenkliches Muster"
Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kommentiert heute das Gesetz zu den automatisierten Kontrollen als eines, das "einem bekannten und bedenklich Muster" folgt. Die Regierung wolle damit erneut eine Rechtsgrundlage "für massenhaftes und anlassloses Datensammeln" schaffen, was "völlig unverhältnismäßig" sei.
Ihr Parteikollege Jimmy Schultz spricht von einem "Angriff auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung". Er kritisiert insbesondere die Speicherung der Daten für die Dauer von bis zu sechs Monaten: "Das erinnert - neben der völlig übertriebenen Totalüberwachung aller Autofahrer - stark an die Vorratsdatenspeicherung, die übrigens aufgrund laufender Verfassungsklagen derzeit ausgesetzt ist."
Grüne hoffen auf "Blaue Plakette"
Die Frage ist nun angesichts der im neuen Jahr anlaufenden Fahrverbote in verschiedenen Städten, wie sie überwacht werden. In Stuttgart tritt ein solches Verbot ab 1. Januar in Kraft. Eigentlich war für den vergangenen Freitag im Bundesrat auch der Tagespunkt "Blaue Plakette" vorgesehen. Eine solche Plakette würde für Polizeikontrollen kenntlich machen, ob ein Fahrzeug trotz des Fahrverbotes bestimmte Straßen benutzen darf. Die Abstimmung dazu wurde allerdings von der Tagesordnung des Bundesrats genommen.
Das von der CDU geführte Innenministerium in BW begründete dies damit, dass eine Mehrheit für die Blaue Plakette im Bundesrat nicht erreichbar gewesen wäre. Sehr zum Ärger, wie der SWR berichtet, von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann, die beide den Grünen angehören, und die Blaue Plakette befürworten. Laut des Berichts des Senders könnte eine neue Abstimmung Mitte Februar angesetzt werden.