"Avengers: Endgame": Man stirbt nur zweimal
Seite 2: Die Vergangenheit liegt in der Zukunft
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Zunächst aber herrschen, wie gesagt, Trauma und Melancholie. "Jeder will ein happy end, aber das kann es nicht immer geben", spricht mit prophetischer Gabe Ironman zu Beginn für den Fall seines Todes auf Band. Er hat kaum noch Sauerstoff auf seinem Raumschiff. Dann allerdings wird er gerettet, in einem spektakulären ersten Auftritt der charismatischen Brie Larson als "Captain Marvel". Dann trifft er auf die übrigen überlebenden Kollegen.
Und dann ... und dann ... - man verrät nicht zuviel, wenn man verrät, dass Thanos bald darauf getötet wird - denn der eigentliche Clou von "Endgame" ist, dass in dieser Handlung sehr viele Figuren sterben, wiederauferstehen oder sogar doppelt vorhanden sind. Zu erklären warum, würde hier zu weit führen, aber es hat mit Quantenphysik und Zeitreisen zu tun. Die Vergangenheit liegt in der Zukunft.
Die Helden reisen hier mehrfach hin und her durch die Zeit: Mal in die Siebziger Jahre, wo sie Väter, Exlieben oder Kollegen in Jung treffen - so bekommt Michael Douglas hier einen computertechnisch generierten Kurzauftritt als junger Mann. Oder es geht nur ein paar Jahre zurück. Auch da hilft Textsicherheit und Figurenkenntnis der Zuschauer.
Denn in der Vergangenheit treffen sie sich selbst, kämpfen sogar gegen sich und scheinen zunächst mit ihrer Mission Erfolg zu haben. Doch dann kommt auch der Unhold Thanos durchs Zeitloch aus der Vergangenheit quicklebendig ins Hier und Jetzt und will die Erde ein zweites Mal vernichten.
Fast alles in diesem Film ist überlebensgroß: Bereits der Prolog dauert eine halbe Stunde. Danach geht es hin und her, jede Figur wird irgendwie abgehandelt, jede Nebenfigur darf noch einmal durchs Bild gehen. Sogar Marisa Tomei, die gefühlt 33te in der Reihe, hat laut Abspann einen eigenen Assistenten. Aber nur Robert Downey Jr. hat einen eigenen Koch, Tamie Cook.
Es gibt also Hierarchien. Im Zentrum stehen diesmal eindeutig Ironman, Captain America und Newcomerin Captain Marvel (Brie Larson), sie sind die Hauptfiguren. Stilstisch ist das aufregend und bombastisch inszeniert. Dieser Film hat für alle etwas: Neben Douglas gibt es auch markante Nebenauftritte von Robert Redford, Tilda Swinton und Angela Basset. Es gibt gute Witze, dann wieder Melodramatik, Ernst und das Bemühen um Tiefe. Und viele Filmverweise: "Back to the Future", "The Big Lebowski".
Was dieser Film überraschenderweise am wenigsten hat: Action! Dies dürfte der actionärmste Superheldenfilm der Marvel-Geschichte sein.
Die vorhersehbare Riesenmaterialschlacht am Ende dauert nicht allzu lange. Dafür gibt es dann nach dem eigentlichen Ende auch noch einen Epilog, der wiederum viele Filmminuten verschlingt. Vieles macht "Avengers: Endgame" trotzdem besser als seinen steifen Vorgänger "Infinity War".
Endspiel des Westens
Man muss das alles nicht ernst nehmen. Man kann es aber. Und wenn man es tut, wenn man glaubt, dass in derartigen populärkulturellen Mythologien, wie sie das Marvel-Universum darstellt, ein gesellschaftliches und kulturelles Unbewusstes sich ausdrückt, dann hat uns dieser Film einiges über uns selbst zu erzählen.
"Avengers 4 Endgame" handelt vom Endspiel des Westens. Der Film bringt uns bei, Niederlagen einzustecken, wieder aufzustehen, einen neuen Anlauf zu versuchen. Der Film erzählt davon, wie man mit Traumata umgeht, und was man tun sollte, wenn man verloren hat. Und nicht zuletzt bringt er uns bei, wofür es sich zu leben lohnt, und wofür zu sterben.
"Philosophieren heißt Sterben lernen" schrieben die römischen Stoiker Cicero und Seneca. Nicht jeder, der Sterben lernt, wird aber dadurch zum Philosophen. Der Film übt es trotzdem mit uns ein, trainiert den Tod, um ihn gleichzeitig zu bannen. Ein Warmlaufen, ein Vorlaufen zum Tode.
Das geschieht zum einen, in dem der Film vom Altern der Helden erzählt. Sie haben Falten, sie haben Traumata, sie sind müde. Unter ihnen haben es die alten weißen Männer eindeutig am Schwersten. Das "Diversitywashing" macht auch vor den Superhelden nicht halt. Und so wird "Captain America" am Ende seine Figur einem Schwarzen "übergeben". Da schlägt Moral den Sinn, Symbol die Notwendigkeit, politische Biederkeit die Eleganz.
In alldem ist es die Abendröte des Westens, von der dieser Film erzählt - monumental, pathetisch und apokalyptisch. Das ist sehenswert. Aber lustig ist es nicht.
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