BAMF-Affäre: "Messe noch nicht gesungen"
Grüne und Linke relativieren ihre Position, gegen einen Untersuchungsausschuss zu stimmen
Am Dienstag muss sich Innenminister Horst Seehofer den Fragen des Bundestags-Innenausschusses zur BAMF-Affäre stellen. Die Grünen haben dafür einen Katalog ausgearbeitet, in dem es vor allem darum geht, wer was wann wusste. Sollte Seehofer diesen Katalog nicht beantworten, drohen sie, es könne doch noch einen Untersuchungsausschuss geben. Vorher hatten Grünen-Politiker verlautbart, sie würden einem entsprechenden Antrag der FDP nicht zustimmen, worauf hin ihn Teile der deutschen Massenmedien bereits für "gescheitert" erklärten.
Damit der Antrag das vorgeschriebene Viertel der insgesamt 709 Bundestagsabgeordneten erreicht, muss im allerdings gar keine dritte Fraktion zustimmen, wie in diesen Medien nicht ganz richtig zu lesen ist: Es reicht, wenn außer den 80 Abgeordneten der FDP, den 92 Abgeordneten der AfD und den zwei jetzt fraktionslosen ausgetretenen AfD-Abgeordneten (von denen Frauke Petry Telepolis bereits ihre Zustimmung ankündigte) vier weitere Abgeordnete zustimmen (vgl. BAMF-Affäre: Was will Seehofer?).
Wie stimmt Hans-Peter Friedrich ab?
Eine davon könnte zum Beispiel von Hans-Peter Friedrich kommen, der eine diesbezügliche Anfrage von Telepolis bislang unbeantwortet ließ. Twitter-Äußerungen des von Merkel in der Edathy-Affäre als Bauernopfer geschassten Ex-Innenministers deuten aber darauf hin, dass er möglicherweise kein allzu großer Anhänger der Kanzlerin mehr ist. Und obwohl CDU und CSU bei der letzten Kandidatenaufstellung offene Merkel-Kritiker wie Philip Lengsfeld und Iris Eberl indirekt aus der Fraktion säuberten, gibt es dort noch einige, die wahrscheinlich gerade abwägen, ob jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, Merkel fallenzulassen.
Die vier Stimmen müssen aber nicht unbedingt aus den Reihen der Union kommen: Auch in der SPD gibt es Dissidenten, die die Große Koalition lieber beenden möchten, bevor ihre Partei in den Umfragen immer weiter absackt. Und in der Linkspartei gibt es neben Extremen wie Ulla Jelpke (vgl. Asylgewährung in Bremen: BAMF will 18.000 Fälle überprüfen) auch Politiker wie den (allerdings nicht mit einem Bundestagsmandat ausgestatteten) Alexander King, die auf die Nachteile einer Politik der "offenen Grenzen" hinweisen. Konstantin Kuhle, der Innenausschusssprecher der FDP, sagte dem Nachrichtensender n-tv deshalb, in dieser Frage sei "die Messe noch nicht gesungen", weil er im Innenausschuss "viele Leute" kenne, denen eine Aufklärung Skandals "wichtig" sei.
Wahlkampf in Bayern
Horst Seehofer hat währenddessen der Bremer BAMF-Außenstelle vorerst untersagt, Entscheidungen in Asylsachen zu treffen. Gleichzeitig gab Seehofers bayerischer Ressortkollege und Parteifreund Joachim Herrmann dem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Rückendeckung, der die Existenz einer "Anti-Abschiebe-Industrie" in Deutschland konstatiert hatte.
In der Branche tätige Anwälte beklagten darauf hin, ihnen gehe es beim Verhindern von Abschiebungen nicht ums Geld, weil sie pro Verfahren ja nur 925 Euro bekämen, von denen ihnen 750 blieben.
In Sozialen Medien stellte man darauf hin Rechnungen an, denen zufolge ein Asylanwalt mit (nach eigenen Angaben) 530 Mandanten im letzten Jahr netto 397.500 Euro eingenommen haben müsste. Gleichzeitig wurden Zahlen bekannt, nach denen sich die Prozesskostenhilfe in Baden-Württembergs 2017 im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifachte und weiter ansteigt. Bei Verwaltungsgerichten entfallen fast drei Viertel davon auf den Bereich Asyl.
Herrmanns Vorschlag, Asylbewerber an den Kosten zu beteiligen, dürfte daran allerdings wenig ändern, weil praktisch alle vom Staat alimentiert werden, weshalb das Geld der Steuerzahler in diesem Fall nur über eine andere Leitung fließen würde. Er dürfte in erster Linie dem Wahlkampf geschuldet sein - ebenso wie die neue Grenzpolizei, die am 2. Juli ihren Dienst antreten soll.
Anders als die Ende der 1990er Jahre von der CSU abgeschaffte Grenzpolizei soll Söders neue nämlich keine Kontroll- und Zurückweisungsbefugnisse nach den Dublin- und anderen europäischen Abkommen haben, weil die bayerische Staatsregierung diese Befugnisse an den Bund abgab. Joachim Herrmann meinte auf Fragen dazu, die neue Grenzpolizei sei trotzdem "kein Etikettenschwindel", denn es habe ja "keiner gesagt, dass wir das Gleiche machen, was wir früher hatten."