BILD auf Talfahrt
BILD und das Schwesterblatt BILD am SONNTAG finden immer weniger Käufer
Wie aus der am Freitag von der IVW vorab veröffentlichten offiziellen Auflagenstatistik für das zweite Quartal 2006 hervorgeht, verlor das Boulevardblatt innerhalb eines Jahres über 160.000 tägliche Käufer. Schade für führende Politiker - sie hatten sich gerade an ihr neues „Leitmedium“ gewöhnt.
Als Deutschland bei der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich im Viertelfinale gegen Außenseiter Kroatien ausschied, wollten noch über 4,6 Millionen Käufer wissen, was BILD von der Blamage hielt. Vier Jahre später, als Oliver Kahn bei der WM in Fernost zum „Titan“ ernannt wurde, setzte das Blatt immerhin noch 4,2 Millionen Exemplare ab. Im zweiten Quartal dieses Jahres waren es kaum noch 3,6 Millionen, trotz der von BILD ausgerufenen „schwarz-rot-geilen“ Wochen während der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land.
Über eine Million weniger Käufer
Tatsächlich wird das Auflagengefälle in dem sich BILD seit Jahren befindet, immer steiler. Seit 1998 verlor das Blatt weit über eine Million täglicher Käufer - das sind immerhin über 22 Prozent Rückgang. Das sonntägliche Schwesterblatt büßte im gleichen Zeitraum sogar über 28 Prozent ein. Im zweiten Quartal 2006 wurde durchschnittlich nur noch knapp 1,9 Millionen Mal zur „BamS“ gegriffen.
Während führende Politiker in den vergangenen Jahren das Boulevardblatt in den Stand eines „Leitmediums“ erhoben hatten, ließen immer mehr Deutsche BILD und „BamS“ am Kiosk liegen. Vielleicht auch gerade deswegen? Ex-Kanzler Gerhard Schröder räumte ganz unumwunden ein, dass er morgens zuerst in das Massenblatt schaue, bevor er sich anderen Zeitungen zuwende. Entsprechend setzte BILD Schröder und andere Politiker regelmäßig unter Druck. Und das mit offensichtlichem Erfolg. „Steuern runter!“, forderte das Blatt im Juni 2004 und nach der Hurrikan-Katastrophe von New Orleans Anfang September 2005 „Kanzler rück den Billigsprit raus!“ Die Steuern wurden gesenkt und staatliche Ölreserven angezapft.
Exklusiver Dank der Kanzlerin
Nachfolgerin Angela Merkel hatte ehemals noch mit einem eigenen Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den politischen Absturz von Helmut Kohl eingeleitet. Inzwischen verbreitet sie ihre Botschaften lieber in BILD. Am Tag nach dem Ende der WM druckte das Blatt „exklusiv“ einen Brief der Kanzlerin ab, in der sie sich bei „Klinsi und den Deutschen“ für „eine phantastische Fußball-WM 2006“ bedankte. Andere Medien mussten BILD zitieren, um auch etwas von dem Dank der Kanzlerin abzubekommen. Eine offizielle Pressemitteilung - wie früher bei solchen Anlässen üblich - gab’s diesmal nicht.
Vielleicht muss sich die Regierungschefin angesichts der negativen Auflagenentwicklung und des zunehmenden Image-Verlustes des Springer-Blattes bald ein neues Verlautbarungsorgan suchen. Verantwortlich dafür, dass BILD zunehmend öffentlich blamiert wird, ist nicht zuletzt der BILDblog. Angesichts der vielen Fehler, Falschmeldungen und Verleumdungen, die die Journalisten Christoph Schultheis und Stefan Niggemeier mit Unterstützung „freiwilliger Helfer“ tagtäglich in BILD finden und in ihrem Blog veröffentlichen, sah sich Chefredakteur Kai Diekmann inzwischen gar gezwungen, eine „Korrekturspalte“ im Blatt einzuführen. Seine Begründung:
BILD ist eine große und schnelle Zeitung, die auf ein Netzwerk von rund tausend Journalisten zurückgreift. Und wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. In der Korrekturspalte sollen diese schnell und unkompliziert berichtigt werden.
Trendwende nicht in Sicht
Zur eigenen Auflagenentwicklung schweigen indes Diekmann und auch die Springer-Pressestelle, zumal auch die Einführung neuer Vertriebswege wie der Verkauf in vielen McDonald’s-Filialen die anhaltende Talfahrt nicht stoppen konnte. Eine Trendwende scheint nicht in Sicht, nicht einmal rechnerisch. Die Fortschreibung der Auflagenentwicklung von 1998 bis 2006 mit der Trend-Funktion des Kalkulationsprogramms „Excel“ führt zum Ergebnis, dass BILD Ende 2032 überhaupt keinen Käufer mehr fände. BILD am SONNTAG würde das Schicksal sogar schon acht Jahre früher ereilen.