Blog Volksverpetzer verliert Gemeinnützigkeit
Finanzamt kappt den Status. Entzug löst Diskussion über Förderung eines gemeinnützigen Journalismus neu aus. Vorwürfe an die Ampelregierung.
Die Diskussion über gemeinnützigen Journalismus dürfte mit dieser Nachricht wieder aufflammen: Der Volksverpetzer hat seine Gemeinnützigkeit verloren, wie der Blog von "Thomas Laschyk und Freunden" auf seiner Webseite mitteilt.
Volksverpetzer ist seit 2019 gemeinnützig. Wir setzen uns ein gegen Desinformation und Hass im Netz, gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – und fördern damit die internationale Gesinnung, wie es so schön in der Satzung heißt. Und das haben die Behörden bisher auch so gesehen und nach einer Prüfung auch 2021 noch mal bestätigt.
Ende April Gerade erreichte uns jetzt aber das Schreiben, dass wir ab dem 23.04.2024 keine Spendenquittungen mehr ausstellen dürfen. Und man uns rückwirkend ab 2021 die Gemeinnützigkeit entzieht und uns somit Nachzahlungen in einem hohen fünfstelligen Betrag erwarten.
Volksverpetzer
Der Volksverpetzer reiht sich damit ein in eine Liste von Organisationen wie Nachdenkseiten, Attac, Journalistenwatch, Campact und dem neurechten Institut für Staatspolitik in Schnellroda, das, als rechtextrem eingestuft, dieser Tage aufgelöst wurde. Allen wurde die Gemeinnützigkeit aufgrund politischer Aktivitäten entzogen.
Finanzamt zieht die Grenze bei politischem Aktivismus
Seit dem Fall von Attac im Jahr 2019 überprüfen die Finanzämter systematisch die Gemeinnützigkeit von Vereinen, die politisch aktiv sind. Eine politische Äußerung im Kontext eines gemeinnützigen Zweckes ist dabei nicht per se schädlich.
Allerdings sehen die Finanzbehörden es kritisch, wenn das politische Engagement zu politischem Aktivismus wird. Ob objektive und sachlich fundierte Inhalte verbreitet werden, spielt als Kriterium eine Rolle.
Wie objektiv, sachlich und fundiert der Volksverpetzer arbeitet, ist seit längerer Zeit Gegenstand von Diskussionen und Polemiken im Netz. Der Spiegel brachte die Anti-Desinformations-Faktencheck-Arbeit des Blog im Februar dieses Jahres auf einen kurzen, plakativen Nenner: "Beiträge des Blogs richten sich gegen Narrative der AfD oder von Wladimir Putin." Dieser Ansatz provoziere.
Folgen für den Volksverpetzer
Mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit entfallen für den Volksverpetzer die Befreiungen von eigenen Steuern wie der Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuer sowie die Möglichkeit, Spendenquittungen auszustellen.
Der Volksverpetzer rechnet mit einer Steuernachzahlung von mehreren zehntausend Euro.
Gemeinnütziger Journalismus als Grauzone
In Deutschland ist Journalismus, der dem Gemeinwohl dient, noch nicht als eigener Gemeinnützigkeitszweck anerkannt. Daher brauchen gemeinwohlorientierte Medienprojekte einen anderen Gemeinnützigkeitszweck.
In Deutschland ist Journalismus, der dem Gemeinwohl dient, noch nicht als eigener Gemeinnützigkeitszweck anerkannt. Gemeinwohlorientierte Medienprojekte brauchen daher einen anderen Gemeinnützigkeitszweck. Bei Fachmedien sind das beispielsweise Verbraucherschutz, Kunst- und Kulturförderung.
Bei anderen ist die Gemeinnützigkeit mit der Förderung von Bildung abgedeckt. Und so besteht für Organisationen wie das Medienhaus Correctiv, das anfangs des Jahres mit einer aufsehenserregenden Recherche Millionen Menschen aufrüttelte und für Demokratie und gegen Faschismus auf die Straße brachte, immer eine gewisse Rechtsunsicherheit.
Netzpolitik
Aufforderung zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts
Correctiv und netzpolitik.org haben sich zum Forum Gemeinnütziger Journalismus zusammengeschlossen. Sie setzen sich dafür ein, dass gemeinwohlorientierter, nicht kommerzieller Journalismus als gemeinnützig anerkannt werden kann.
Im Zuge des Verlusts der Gemeinnützigkeit des Volksverpetzers startete das Forum Gemeinnütziger Journalismus eine Petition. Sie fordert eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts und eine Anerkennung von gemeinnützigem Journalismus.
Die politische Unterstützung für Non-Profit-Journalismus trägt bislang nicht weit. Das dokumentiert nicht zuletzt die Haltung der Ampelregierung. Sie hat ihre Versprechen, sich dafür einzusetzen, bislang nicht eingelöst.
"Gemeinnütziger Journalismus kann die dritte Säule im Mediensystem werden. Dafür muss die Ampelkoalition jetzt den Weg frei machen", schrieb die Taz bereits im November 2021. Seither hat sich nichts Spruchreifes getan.
Man sei noch in der Diskussionsphase, bekundete Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Sommer letzten Jahres:
"Da sind wir noch nicht einer Meinung", sagte Roth. Sie denke aber, "dass der Umbruch der Medienlandschaft so groß ist, dass der gemeinnützige Journalismus ein Zusatz zum gewinnorientierten sein kann".
Claudia Roth, Faz
Ob eine Diskussion über den Entzug der Gemeinnützigkeit des Volksverpetzers nun neuen Schwung in die Debatte bringt?
Auf dem Blog des Volksverpetzers wird eine kämpferische Haltung eingenommen.
Die Ampel aber hat in ihrem Koalitionsvertrag erklärt, dass sie endlich die überholte Gemeinnützigkeit in Deutschland reformieren will. (…)
Unter anderem wollten sie den Förderzweck des gemeinnützigen Journalismus einführen, mit dem wir, wenn es ihn jetzt schon gegeben hätte, vielleicht noch mehr Rechtssicherheit gehabt hätten.(…)
Doch es passiert bisher nicht wirklich was. Im Gegenteil, das Finanzministerium und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien will statt der versprochenen Reform nur eine kleine Regeländerung schaffen, die wohl nicht den gleichen Effekt haben wird.
Und gerade in diesen Zeiten des erstarkenden Faschismus und grassierender Desinformation brauchen wir unabhängigen, gemeinnützigen Journalismus umso mehr.
Volksverpetzer