BND-Mitarbeiter im Gemeinderat
Als "Beamtin" kandidierte eine Frau, der Bürgermeister verlangt nun, dass sie ihren Arbeitgeber nennt oder das Mandat niederlegt
Mitarbeiter von BND und Verfassungsschutz sind es gewohnt, sich zu tarnen und ihre Umgebung zu täuschen. Manchmal kommt es auch vor, dass sie bisschen lügen und andere betrügen. Natürlich alles nur im Dienste des Vaterlandes. Ist es da nicht verständlich, dass Axel Zinke, der Bürgermeister der Gemeinde Seddiner See in Brandenburg, ein Problem damit hat, wenn eine BND-Mitarbeiterin in seinem Gemeindeparlament sitzt?
Schlicht als "Beamtin" hatte sich Carina Simmen als Kandidatin der BVB/Freie Wähler in ihrer Heimatgemeinde Seddiner See zur Wahl als Gemeindevertreterin vorgestellt. Ausgeschrieben lautet der Name dieser in Brandenburg auch im Landtag vertretenen Gruppierung "Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler."
Dass sie und ihr Ehemann Ralf, er ist Mitglied des Ortsbeirats Neuseddin, beim BND arbeiten, erfuhr der parteilose Bürgermeister aus einem Kita-Antrag, den die junge Mutter vor längerer Zeit im Rathaus abgegeben hatte. Auch darin stand aber nicht etwa der "BND" als Arbeitgeber, sondern das nicht existierende "Amt für Schadensabwicklung" - eine der mittlerweile abgeschafften Tarnbezeichnungen des Bundesnachrichtendienstes. Zinke informierte die Kreisverwaltung und einige Mitarbeiter in seiner Gemeindeverwaltung. Er lud Frau Simmen zu einem persönlichen Gespräch ein, bei dem er sie, der Lokalzeitung Potsdamer Neuestes Nachrichten (PNN) Zufolge, aufforderte ihren Arbeitgeber zu nennen oder auf ihr Mandat zu verzichten.
Carina Simmen reagierte auf die verwaltungsinterne Preisgabe ihres Arbeitgebers durch den Bürgermeister mit einer Strafanzeige, von der sich Zinke auf Anfragen der Lokalzeitung PNN aber "unbeeindruckt" zeigte. Womit sie diese Anzeige begründete, wurde nicht bekannt. Über den Stand des Verfahrens war noch nichts zu erfahren.
"Carina Simmes", so heißt es auf der Website ihrer Partei, die von ihrem Mann betrieben wird, "ist eine engagierte Kommunalpolitikerin, die sich als Mutter vor allem für Kindergärten und Schulen einsetzt. Und die als Gemeindevertreterin in der Gemeinde Seddiner See auf ihr Recht besteht, in ihrer Gemeinde an den Entscheidungen beteiligt zu werden." Hier wird es so dargestellt, dass der Bürgermeister sie "erpressen" will, weil sie diesen wegen "Missachtung des Ortsbeirates" kritisiert hatte.
Keine Angaben zum Arbeitgeber verlangt
In der Gemeinde Seddiner See werden die lokalen Mandatsträger nur aufgefordert, ihren Beruf zu nennen, nicht den Arbeitgeber. Dazu heißt es in Im Wortlaut heißt es in § 7 Abs. 4 der Hauptsatzung:
Gemeindevertreter und sachkundige Einwohner teilen dem Vorsitzende der Gemeindevertretung innerhalb von vier Wochen nach der konstituierenden Sitzung der Gemeindevertretung beziehungsweise im Falle einer Berufung als Ersatzperson nach Annahme der Wahl schriftlich ihren ausgeübten Beruf sowie andere vergütete oder ehrenamtliche Tätigkeiten mit, soweit dies für die Ausübung des Mandates von Bedeutung sein kann. (...)
Demnach reichte die Angabe "Beamtin". Im wirtschaftlich orientierten Internet-Netzwerk Xing übte sich die junge Dame vom BND schon mal im Tarnen und Täuschen. Dort firmierte sie als Inhaberin ihrer "Firma Simmen" mit Angeboten im Wohlfühl- und Kosmetik-Bereich. Als ihre Ausbildungsstätte zur Diplomverwaltungswirtin gab sie allerdings die Bundeswehr an. Vom BND als Arbeitsstätte war nicht die Rede. Ihr Xing-Account wurde inzwischen gelöscht
Die "Freien Wähler" stellten sich hinter ihre Fraktionskollegin und riefen nach der Kommunalaufsicht, die die Vorwürfe nun prüft, da der Landrat Disziplinarvorgesetzter des hauptamtlichen Bürgermeisters ist. Zum Sachstand dieser Prüfung war nichts weiter zu erfahren In den meisten Kommunen spielt der Arbeitgeber nur dann eine Rolle, wenn der Kandidat für ein Lokalparlament selbst für die jeweilige Kommunalverwaltung arbeitet oder aber in einer Aufsichtsbehörde.
Nach § 12 des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetz( BbgKWahlG) können Beamte oder Arbeitnehmer nicht zugleich der Vertretung ihrer Anstellungskörperschaft angehören. D.h. ein Gemeindebediensteter kann nicht zugleich der Vertretung seiner Gemeinde angehören. Gleiches gilt für Beamte/Arbeitnehmer des Landes oder eines Landkreises, die vorbereitend oder entscheidend unmittelbar Aufgaben der Kommunal-, Sonder- oder Fachaufsicht über Gemeinden, Ämter oder Landkreise wahrnehmen. Sie können nicht zugleich der Vertretung einer beaufsichtigten Gemeinde, dem Amtsausschuss eines beaufsichtigten Amtes oder der Vertretung eines beaufsichtigten Landkreises angehören.
Geheime bleiben geheim
Dabei wäre es für das "einfache Wahlvolk" sicherlich interessant zu erfahren, ob jemand bei einer Firma arbeitet - oder diese anwaltlich vertritt -, die sich um Aufträge der jeweiligen Kommune bewirbt. Auch die Frage, ob ein Gemeinde-oder Stadtratskandidat beim Bundes- oder einem der Landesämter für Verfassungsschutz oder eben für den BND arbeitet, ist für die Beurteilung des jeweiligen Kandidaten sicherlich von Interesse. Schon deshalb ist der Ausgang der Auseinandersetzung in Seddiner See durchaus von überregionalem Interesse. Seitens der anderen Fraktionen in der Gemeindevertretung Seddiner See gab es bis auf die Linken keine Reaktion. Deren Gemeindevertreter kritisierten das Verschweigen der Tätigkeit für den BND.
In anderen Bundesländern, wie etwa in Nordrhein-Westfalen, sind die Mitglieder des Rates, der Bezirksvertretungen und der Ausschüsse verpflichtet, Auskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben.
Einzelheiten werden durch den jeweiligen Stadt oder Gemeinderat geregelt. (§ 43, Abs. 3 Gemeindeordnung NRW" Bei der Stadt Bonn ist dies durch den Beschluss über die Ehrenordnung (Fassung vom 30.09.2014) erfolgt. In Ziffer 2 der Ehrendordnung ist auch der Arbeitgeber - sofern nicht Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers entgegenstehen - dem Oberbürgermeister anzugeben.
Eine allgemein zugängliche Veröffentlichung im Ratshandbuch erfolgt jedoch nur, wenn der oder die Betroffene einer solchen Veröffentlichung zugestimmt hat. Diese Regelung dürfte hilfreich sein im Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft, aber Mitarbeiter der Geheimdienste werden mit dieser Vorschrift nicht "enttarnt".