Bank-Direktor wegen massiven Verlusten mit Messer angegriffen
Sparer in Spanien versuchen, nach dem Zwangsumtausch einen Teil der Ersparnisse zu retten, verlieren bisweilen auch die Nerven
Es ist ein neuer schwarzer Tag für die Aktien der verstaatlichten spanischen Großbank Bankia. Noch schwärzer war er für frühere Besitzer von Hybridanleihen (preferentes) der Bank. Sie konnten nach dem staatlich dekretierten Zwangsumtausch ihre Aktien am Dienstag erstmals verkaufen. Fast 15 Milliarden Euro nahm die Bank darüber gegen ihren Willen mit der Ausgabe von fast 12 Millionen neuer Aktien ein. Viele der Zwangsaktionäre versuchten, die Anteile sofort zu verkaufen, und lösten einen Kurssturz von bis zu 20 Prozent aus. Preferentes waren, als Kreditinstitute in Schieflage gerieten, Sparern oft rechtswidrig oder betrügerisch aufgedrängt worden.
Schon beim Zwangsumtausch mussten Betroffene einen Verlust von fast 40 Prozent hinnehmen. Es war klar, dass es dabei nicht bleiben würde ([Link auf 8/153999 ]). Nun bleibt vom verliehenen Geld tatsächlich fast nichts mehr übrig. Wurde beim Umtausch jede Aktie noch mit 1,35 Euro bewertet, stürzte sie am Dienstag sogar bis auf 48 Cent ab. Die neuen Aktienbesitzer mussten am vergangenen Donnerstag machtlos zusehen, wie sich ihr Wert auf 68 Cent halbierte. Konnten Kleinanleger sie erst Dienstag verkaufen, fanden findige Großanleger offenbar Möglichkeiten, über Leerverkäufe Geschäfte damit zu machen. Da diese in Spanien verboten sind, ermittelt nun die Börsenaufsicht.
Sparer, die die Bankia-Aktien verkauften, um vom verliehenen Geld noch etwas zu retten, bekamen nun noch etwa 20 Prozent der Einlagen zurück. Ihnen platzt bisweilen der Kragen. Befürchtet wird, dass sich die Gewalt wie am Sonntag in Valencia wiederholt. Ein 39-jähriger Lokalpolizist stach nach einer Diskussion mit dem Messer auf den 55-jährigen Ex-Direktor seiner Bankfiliale ein, der ihm und Familienmitgliedern Bankia-Hybridanleihen für etwa 300.000 Euro verkauft hatte. Der wurde dabei schwer verletzt und musste einer Notoperation unterzogen werden. Der Polizist soll sich, wie viele Betroffene, in einer ökonomisch schwierigen Lage befinden und unter Depressionen leiden. Vor solchen Angriffen hatte Bankia die Beschäftigten schon per Rundschreiben gewarnt. Auch der Generalsekretär der Gewerkschaft CIG berichtet von einer Radikalisierung in Galicien, wo es besonders viele Betroffene gibt. Clodomiro Montero sagte: "Wir wissen von vielen Drohungen". Viele Angestellte fühlten sich bedroht. Zu Übergriffen sei es aber bei den Protesten bisher nicht gekommen, die Betroffene fast täglich in ganz Spanien durchführen. Sie besetzen auch Banken und Bürgermeisterämter und fordern eine Lösung. Montero "versteht" deren Wut und hält die "Forderungen der Kunden für legitim". Viele, meist Rentner, verlieren fast sämtliche Ersparnisse, seien "extrem gestresst und einige verlieren dabei auch die Nerven". Auch der Gewerkschafter fordert Rückzahlungen, damit es nicht zu noch schlimmeren Ereignissen komme.
Dass es beim Verkauf der Preferentes oft nicht mit rechten Dingen zuging, haben Gerichte in vielen Urteilen längst bestätigt und die Rückerstattung der Ersparnisse angeordnet (Hoffnung für geprellte Sparer in Spanien). Die Vereinigung von Staatsanwälten (UPF) spricht in einer Erklärung nach einem Kongress am Wochenende von einem "großangelegten Betrug", der in den "höchsten Ebenen der Kreditinstitute" angesiedelt sei. Die UPF ist empört, dass das Generalstaatsanwaltschaft nicht ermittelt, stattdessen aber sogar gegen die vorgeht, die wegen dieser Vorgänge friedlich protestieren.
Anwälte raten Betroffenen, den Rechtsweg zu beschreiten, wofür vielen aber das Geld fehlt. In den Verfahren werde der betrügerische Charakter schnell deutlich, meint Pablo Rodríguez-Palmero Seuma, der Betroffene vertritt. Er verweist darauf, dass viele Verträge nicht unterschrieben sind, da angeblich telefonisch abgeschlossen. Sogar Analphabeten haben per Fingerabdruck für Produkte unterzeichnet, sie wurden Blinden und Kindern verkauft. Nach Auflage der Börsenaufsicht hätten sie nur "erfahrenen Anlegern" nach eingehender Beratung verkauft werden dürfen, die sich des Risikos voll bewusst sein müssen.
Auch Wirtschaftsminister Luis de Guindos hatte erklärt, dass die Produkte nie hätten einfachen Sparern verkauft werden dürfen. Doch unternommen haben er und seine konservative Volkspartei (PP) nichts und die von der Troika geforderte Zwangsabgaben (nach Zypern-Art) für diese Kleinsparer abgenickt. Die Anwälte raten auch davon ab, sich auf angebotene Schlichtungen einzulassen. Allein von den etwa 300.000 geschädigten Bankia-Kunden haben gut 80.000 sie bisher beantragt. Davon wurden nur 34.000 angenommen. Den übrigen bleibt nur der Rechtsweg.