Bauern, Jäger und Sammler: Was neue Methoden über unsere Vorfahren verraten
Seite 2: Demogenomische Modellierung
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Die umfassende Untersuchung war nur durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Entwicklung neuer Methoden möglich. Ko-Autor Joachim Burger von der Universität Mainz betont:
Es hat fast zehn Jahre gedauert, die für eine solche Studie geeigneten Skelette zusammenzutragen und zu analysieren. Dies war nur durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Archäologen und Anthropologen möglich, die uns geholfen haben, unsere Modelle historisch zu verankern.
Joachim Burger, Universität Mainz
Außerdem kombinierten die Wissenschaftler für ihre Studie zwei Techniken. Sie gewannen hoch qualitativer Genome aus prähistorischen Knochen, indem sie ungefähr zwanzigtausendfach mehr DNA-Sequenzen pro Skelett produzierten als sonst üblich.
Zudem verbanden sie die so gewonnen Daten mit einer demografischer Modellierung.
Die Forscherinnen und Forscher bezeichnen ihren neuen Ansatz als "demogenomische Modellierung". Laura Winkelbach sagt:
Das Gebiet der Palaeogenomik ist noch sehr jung, wir haben daher jahrelang unsere Labormethoden optimiert, um die Produktion solch hochauflösender Palaeogenome möglich zu machen. Nur etwa zehn Prozent der untersuchten Skelette enthielten ausreichend DNA, um sie derart intensiv zu untersuchen.
Und Nina Marchi fügt hinzu:
Ein einfacher Vergleich der Ähnlichkeit verschiedener alter Genome reicht nicht aus, um zu verstehen, wie sie sich entwickelt haben. Wir mussten die tatsächliche Geschichte der untersuchten Populationen so genau wie möglich rekonstruieren. Dies ist nur mit komplexen populationsgenetischen Statistiken möglich.
Die Steinzeit verlief für die Menschen nicht als lineare Geschichte. Ihre Realität war nicht zuletzt von den Klimabedingungen geprägt. Vor etwa 25.000 Jahren erreichte die letzte Eiszeit ihren Höhepunkt, ein großer Teil Europas verschwand unter Gletschern. In dieser Epoche, die Letzteiszeitliches Maximum genannt wird, verkleinerte sich der Lebensraum für die vorher eng verwandten Jäger- und Sammlergemeinschaften.
Sie spalteten sich in verschiedene Gruppen auf, die voneinander isoliert weit im Westen des Kontinents und im Südosten lebten, ein dritter Teil zog sich in den Nahen Osten zurück.
Nach dem Ende der Eiszeit setzten sich die Menschen wieder in Bewegung, trafen und vermischten sich. Aus dieser komplexen Bevölkerungsdynamik entstand die genetische Mixtur der Menschen, die später den Ackerbau und die sesshafte Lebensweise erfanden.
Das Forschungsteam datiert diesen Mischungsprozess auf die Zeit vor rund 14’000 Jahren, danach folgte eine mehrere tausend Jahre dauernde Periode extremer genetischer Differenzierung.
Demografische Entwicklungen der Frühgeschichte
Die Autorinnen und Autoren schreiben in ihrem Artikel:
"Obwohl sich die ersten Bauern der Welt genetisch stark von den europäischen Jägern und Sammlern des Holozän unterscheiden, zeigt unsere Simulation auf der Grundlage hochwertiger Genome, dass einige europäische und südwestasiatische Populationen tatsächlich eine gemeinsame jüngere Geschichte hatten, die durch wiederholte Interaktionen seit dem Ende der letzten Eiszeit gekennzeichnet war. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Idee eines einzigen kulturellen und genetischen Ursprungs aller Bauern im Fruchtbaren Halbmond ohne einen signifikanten anfänglichen Beitrag von Jägern und Sammlern des Holozän mit europäischem Charakter in ihrer jetzigen Form nicht mehr haltbar ist."
Das Wissenschaftlerteam will seine Forschung mit seinem Ansatz der demogenomische Modellierung fortführen. Ihnen ist bewusst, dass es noch große räumliche und zeitliche Lücken in ihren Ergebnisse gibt.
Sie sind überzeugt, dass es künftig mit der Kombination von Genomdaten hoher Qualität und den neuesten statistischen Methoden möglich sein wird, demografische Entwicklungen der Frühgeschichte über große Zeiträume zu rekonstruieren. Als nächsten Schritt wollen sie sich jüngere Knochen von Individuen aus dem Neolithikum und der Bronzezeit vornehmen, um ihr demografisches Modell fortzuschreiben.