Bauern, Jäger und Sammler: Was neue Methoden über unsere Vorfahren verraten

Arbeit im Palaeogenetik-Labor der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Foto: Joachim Burger

Paläogenetik: Wie kam es zur neolithischen Revolution, und wer waren die ersten Bauern in Europa?

Einmal mehr ist es die Paläogenetik, die maßgeblich dazu beiträgt, jetzt eine der großen Fragen der Menschheitsgeschichte zu beantworten: Wie kam es zur neolithischen Revolution, und wer waren die ersten Bauern in Europa?

Ein internationales Team aus mehr als 30 Wissenschaftlern zeigt jetzt durch die Analyse des Erbguts von 25 Individuen aus der neolithischen Frühzeit, dass sie aus einer komplexen Vermischung verschiedener Bevölkerungsgruppen stammen, die lange vor der Landwirtschaft begann.

Europa und der fruchtbare Halbmond

In der Wissenschaftszeitschrift Cell veröffentlichte die Gruppe um Nina Marchi von der Universität Bern, Laura Winkelbach und Maxime Brami von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie Ilektra Schulz von der Universität Fribourg ihre Analyse der Genetik früher Bauern in Europa (The genomic origins of the world's first farmers).

Nina Marchi erklärt:

Wir zeigen nun, dass die ersten Bauern Anatoliens und Europas aus einer Bevölkerungsmischung zwischen Jägern und Sammlern aus Europa und dem Nahen Osten hervorgegangen sind.

Warum Menschen in der Jungsteinzeit vor etwa 11.000 bis 12.000 Jahren damit begannen, Pflanzen zu kultivieren, Felder anzulegen und Haustiere zu züchten, ist noch umstritten. Es geschah zuerst vermutlich gleichzeitig an mehreren Orten im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes, im heutigen Irak, Syrien, Türkei, Libanon, Jordanien, Israel und im Westjordanland.

Möglicherweise gingen klimatische Veränderungen voraus, vielleicht kam der Anstoß aber auch durch gesellschaftliche Veränderungen, denn bereits die Jäger und Sammler bauten sehr große Anlagen und Tempel, wie die Entdeckung von Göbekli Tepe in Südanatolien beweist (Ältester Tempel gibt Rätsel auf). Für den Bau derartig großer Gebäude brauchte es über einen langen Zeitraum die kontinuierliche Versorgung der Erbauer mit Lebensmitteln vor Ort.

Auf jeden Fall löste die grundlegende Veränderung der Lebensweise einen nachhaltigen kulturellen und gesellschaftlichen Wandel aus, der heute oft als "neolithische Revolution" bezeichnet wird. Die Menschen ließen sich bei ihren Feldern nieder, hatten wesentlich mehr Nachkommen, es entstanden Dörfer und Städte, Arbeitsteilung und Hierarchien.

Ein umfassender Kulturwandel über Jahrtausende, der in der Mitte Europas erst vor rund 7.500 Jahren begann, wo danach parallel noch lange eine Jäger- und Sammlergesellschaft weiterlebte.

Kulturdiffusion oder Migration

Wie verbreitete sich das Bauerntum vom Nahen Osten aus? Darüber gab es lange eine Debatte unter den Experten. Das Kulturdiffusions-Modells beschreibt den Übergang von der Wildbeutergesellschaft zur bäuerlichen Lebensform durch die Vermittlung von Wissen, das sich durch Nachbarschaften und deren jeweilige Kulturtechnik-Aneignung ausbreitet. Das Migrationsmodell geht von der Einwanderung von Bäuerinnen und Bauern aus, die ihr Knowhow, Saatgut und ihre Tiere mitbringen.

Erste genetische Untersuchungen der prähistorischen Skelette bäuerlicher Pioniere in Europa zeigten, dass sie aus Vorderasien stammten, über Anatolien und den Balkan zogen sie am Mittelmeer entlang und dann die Donau hinauf (Die ersten Bauern in Mitteleuropa stammten aus dem Nahen Osten).

Sie kamen zusammen mit ihren Tieren, denn unsere heutigen Rinder-, Schafe- und Ziegenrassen stammen von in Vorderasien lebenden Wildtieren ab. Daher rührte die Annahme, die ersten Ackerbauern Europas würden nur von lokalen Nomaden ihrer Herkunftsregion abstammen.

Fundstelle der Bestattung einer frühen neolithischen Frau aus Essenbach in Niederbayern, Foto: ADA – Archäologie GbR

Ein wohl zu schlichtes Modell, das auf zu wenigen Daten basierte und jetzt ins Wanken gerät. Die aktuellen Analysen der Wissenschaftler um Nina Marchi ergaben, dass die ersten Bauern in Wirklichkeit von mehreren Jäger- und Sammlerpopulationen abstammen, die vom Nahen Osten bis zum Balkan lebten.

Nach Einschätzung der Forschergruppe war der Mangel an hochwertigem Genmaterial aus Populationen vom Anfang der landwirtschaftlichen Expansion in Europa der Grund für die bisherige Fehleinschätzung.

Deswegen nahmen sie gezielt 25 steinzeitliche Genome aus verschiedenen Epochen genau unter die Lupe, 15 davon wurden von ihnen selbst sequenziert. Sie untersuchten Knochen von Individuen aus den Fundorten Vlasac, Lepenski Vir, Vinča-Belo Brdo und Grad-Starčevo (Serbien), Aktopraklık and Barcın (Türkei), von Nea Nikomedeia (Griechenland), Kleinhadersdorf und Asparn-Schletz (Österreich), sowie Essenbach-Ammerbreite, Dillingen-Steinheim und Herxheim (Deutschland).