Bauernproteste erschüttern Paris: Frankreichs Landwirte am Limit

Seite 2: Kampf gegen Dumpingpreise: Landwirte vs. Supermarktketten

Die Gesetzesserie erlaubt nach wie vor Einkaufspreise für Nahrungsmittel unterhalb ihrer Herstellungskosten – wie die Einkaufszentralen von Supermärkten sie Landwirten mitunter aufzwingen, die mitspielen müssen, weil sie sich der Marktmacht ihrer "Partner" nicht entziehen können und in deren Vertriebsnetz bleiben wollen.

Sie beschränkt die Verkäufe von Lebensmitteln sowie Tiernahrung unter dem Herstellungswert allerdings auf zehn Prozent des Gesamtvolumens.

Ferner sollen Schulkantinen und andere öffentliche Einrichtungen mindestens 50 Prozent "nachhaltig" hergestellte Produkte, in der Regel aus regionalem Anbau, und darunter 20 Prozent Bioprodukte anbieten.

Die Realität ist eine andere, die Vorschriften werden bislang quasi flächendeckend umgangen – auch durch die öffentliche Hand, über zwei Drittel des Rindfleischs in Schulkantinen sind Importfleisch, das oft kostengünstiger angeboten, doch unter schlechteren Bedingungen produziert wird –, wie inzwischen auch das Regierungslager zugibt.

Wie Supermarktketten Kontrollen umgehen

Und Supermarktketten umgehen Kontrollen ihrer Einkaufspolitik äußerst locker, indem sie etwa ihre Einkaufzentralen im nahen EU-Ausland einrichten, wo es keine vergleichbaren Kontrollversuche gibt: die Supermarktkette Carrefour etwa mit Eureca in Spanien, die Kette Edouard Leclerc in den Niederlanden mit Everest und Super-U in Belgien mit Eurelec.

Auch aus diesem Grund attackierten Landwirte, in diesem Falle von der linken Bauernvereinigung Confédération paysanne, am 29. Januar in den südfranzösischen Städten Beaucaire und Cavaillon Lager der deutschen Supermarktketten Aldi und Lidl, die ebenfalls über die Bundesrepublik die EGALIM-Kontrollen umgehen.

Ein krasser sozialer Unterschied

Mittlerweile vervielfachte diese linke und ökologischen Belangen aufgeschlossene Agrargewerkschaft solche Aktionen, zuletzt am Dienstag dieser Woche bei der Landwirtschaftsmesse gegen den in Frankreich ansässigen, auf Milchprodukte spezialisierten Nahrungsmittelkonzern Lactalis.

Das Vermögen von dessen Eigentümern wird auf 43 Milliarden Euro geschätzt, allein das persönliche des Vorstandsvorsitzenden Emmanuel Besnier auf 20,4 Milliarden Euro.

Pro Liter Milch zahlt er den Bäuerinnen und Bauern vierzig Cents, dabei liegen die Herstellungskosten für die Erzeuger – die nach Region und geografischen Gegebenheiten variieren – zwischen 40 und 42 Cents. Herstellerverbände fordern 56 Cents pro Liter, um ihre Mitglieder am Leben zu erhalten.

Auf die konstatierte Misere können Antworten in unterschiedlichen Richtungen gesucht werden.

Problemlösungen von links und rechts

Die Option auf der rechten Seite lautet, die günstige Stellung ausländischer Konkurrenz zu beklagen und – um ihr Herr zu werden - Barrieren auf dem Weg zu günstigerer Produktion auch in Frankreich zu beseitigen, insbesondere Umweltnormen als vermeintlich unnötigen Luxus, und dadurch konkurrenzfähiger zu werten.

Diese Haltung, die sich rebellisch geben kann, kann sich auf den konservativen Agrar-Lobbyverband FNSEA, aber auch auf die rebellischer auftretende, erkennbar zu den Rechtsextremen hin offene Bauerngewerkschaft Coordination rurale stützen.

Erstere erhielt bei den letzten Landwirtschaftskammerwahlen 2019 (die nächsten stehen im laufenden Jahr an) rund 50 Prozent, die Zweitgenannte rund 20 Prozent der Stimmen.

Die fortschrittlichere Herangehensweise

Die fortschrittlichere Herangehensweise lautet, zwar nicht generellen Protektionismus zugunsten "nationaler" Interessen zu betreiben, wohl aber an Produktionsbedingungen aufgehängte Normen zu gezielten Importbeschränkungen und -verboten durchzusetzen sowie Mindestverkaufspreise für Lebensmittel festzulegen.

Dafür steht unter anderem auch die linke Bauerngewerkschaft Confédération paysanne, die ebenfalls rund 20 Prozent der Stimmen bei den Landwirtschaftskammerwahlen auf die Waage bringen.