Bayerischer Landtag beschäftigt sich mit Staatsanwaltschaft Augsburg
Eine halbe Milliarde Euro Rückforderungsansprüche gegen Ärzte sollen wegen Untätigkeit verjährt sein
Heute wird sich der Bayerische Landtag mit der Staatsanwaltschaft Augsburg befassen, die dem Gustl-Mollath-Anwalt Gerhard Strate zufolge das beste Beispiel dafür abgibt, dass die Weisungsgebundenheit von deutschen Anklagebehörden eine demokratische Errungenschaft ist: Die schwäbischen Juristen würden seiner Ansicht nach ohne gelegentliches Eingreifen der Politik nämlich noch wesentlich problematischer agieren, als sie das in einigen spektakulären Fällen in der jüngeren Vergangenheit taten.
So ließen Augsburger Staatsanwälte beispielsweise 2012 die Bilder des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt, der am Dienstag verstarb, als "Sicherheit" für eine wahrscheinlich gar nicht bestehende Steuerschuld beschlagnahmen und ordneten 2013 die Durchsuchung der Redaktionsräume einer Lokalzeitung an, weil ein Leser in einem Forumskommentar über Rechtsbeugung spekuliert hatte.
Morgen wird sich der Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags mit einem Fall befassen, in dem die Verfolgungsbehörde in der Fuggerstadt merkwürdigerweise ganz anders vorgegangen sein soll: Die Tageszeitung Handelsblatt wirft ihnen unter Berufung auf interne Dokumente vor, dass sie etwa 10.000 Ärzte, die seit mindestens 2006 bei Abrechnungen von Laborleistungen betrogen, unberechtigt straffrei davonkommen ließen.
Sollten die Vorwürfe des Handelsblatts zutreffen, dann hätte eine Behörde, die Zeit hat, Hausdurchsuchungen wegen zweier MP3-Dateien im Wert von jeweils 1,29 Euro anzuordnen (und die in der Begründung dazu wörtlich schreibt "Die Beschlagnahme steht in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat"), Tausende von Ärztebetrugsfällen untätig verjähren lassen - und dabei für Patienten und Krankenversicherer einen Schaden von ungefähr einer halben Milliarde Euro in Kauf genommen, der entstand, weil diese nun Rückforderungsansprüche nicht mehr geltend machen können. Hinzu kommt, man die Fälle dem Handelsblatt zufolge auch dann noch liegen ließ, nachdem der Bundesgerichtshof 2012 höchstrichterlich entschieden hatte, dass das von den Ärzten eingesetzte Abrechnungssystem ein Betrug ist, der eine Gefängnisstrafe von über drei Jahren rechtfertigt.
Die Staatsanwaltschaft Augsburg weist die Zahl von 10.000 Ermittlungsverfahren zurück und sprich von lediglich 146, bei denen sich "der Tatverdacht nicht bestätigt" habe. Ob der Bayerische Landtag die fast fünfstellige Diskrepanz zwischen diesen beiden Zahlen aufklären kann, wird sich in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten zeigen.
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