Belastung mit Umwelthormon Bisphenol A höher als bislang angenommen
US-Wissenschaftler haben ein neues Messverfahren entwickelt, mit dem sich die gesundheitsgefährliche Belastung der menschlichen Körper auch für andere Chemikalien wie Phenole und Phtalate genauer erfassen lassen soll
Bisphenol A ist in vielen Produkten enthalten und gilt als endokriner Disruptor, also als hormonähnliche Substanz, die möglicherweise zu vielen ernsthaften gesundheitlichen Folgen wie Entwicklungsstörungen, Fettleibigkeit, Diabetes oder Fruchtbarkeitsstörungen führen kann. 9 Millionen Tonnen werden pro Jahr hergestellt, Menschen sind dem Umwelthormon praktisch täglich ausgesetzt. Wie meist handeln Staaten nicht präventiv
Reguliert wird Bisphenol A (BPA) sehr unterschiedlich. In der EU sind seit 2011 Produktion und Verkauf von Babyflaschen mit BPA verboten, in der EU ist BPA reproduktionstoxische Kategorie 1B eingestuft und gilt als besonders besorgniserregend. Die Verwendung in Thermopapier ist ab 2020 verboten (Gefahrenquelle Kassenbon). Eine Neubewertung der Risiken durch die ESFA soll bis 2020 erfolgen. In den USA gilt BPA in der gegenwärtigen Höhe in Lebensmitteln und Lebensmittelverpackungen als sicher.
Patricia Hunt und ihr Team von der Washington State University bezweifeln die von der Lebensmittel- und Medikamentenbehörde FDA ausgestellte Unbedenklichkeit. Sie haben für eine in Lancet veröffentliche Studie Metaboliten von BPA direkt im Urin von 29 schwangeren Frauen sowie 5 Männern und 5 nicht schwangeren Frauen gemessen und dabei Werte gefunden, die 44 Mal höher sind als die von der FDA zugrunde gelegten, die auf indirekten Messungen beruhen. Für diese Messungen wird ein Enzym von Schnecken benutzt, das Metabolite wieder in BPA transformiert. Die Wissenschaftler stellten fest, dass je größer die Belastung mit BPA ist, desto mehr weichen direkte und indirekte Messung auseinander.
Schon andere Untersuchungen des 2012 gegründeten Consortium Linking Academic and Regulatory Insights on Toxicity of BPA (CLARITY-BPA) haben herausgefunden, dass BPA schon in geringsten Mengen (2,5 μg/kg täglich) gesundheitsschädliche Folgen haben kann. Die Heranziehung von Metaboliten ist deswegen wichtig, weil vom Menschen oral aufgenommenes BPA schnell metabolisiert wird.
Die bislang vorgenommenen Methoden der Bestimmung der BPA-Aufnahme seien daher falsch, sagen die Wissenschaftler, die Belastung sei viel höher, als bislang angenommen. Das gelte auch für andere Chemikalien, beispielsweise für Substanzen, die BPA ersetzen sollen, für Phenole und Phtalate.
Selbst wenn BPA und andere chemischen Substanzen verboten oder stark beschränkt werden, läuft weiter ein groß angelegter Versuch, wie sich industriell hergestellte Chemikalien auf die Umwelt und den Menschen auswirken. Es ist höchste Zeit, das Vorgehen umzukehren und nur Chemikalien zuzulassen, deren Unschädlichkeit bestätigt werden kann, als nachträglich und immer viel zu langsam Einschränkungen und selten genug Verbote zu erlassen.