Belgien: Nationalisten, Folter und die Abschiebung von Sudanesen

Seite 2: Abschiebung in ein Land, in dem gefoltert wird?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Herbst 2017 beauftragte die belgische Regierung - in deren Reihen Theo Francken für Migrationspolitik zuständig ist - Agenten des sudanesischen Regimes damit, Geflüchtete aus dem Sudan zu "identifizieren", um ihre unfreiwillige Rückkehr (vulgo: Abschiebung) in dieses Land zu ermöglichen.

Unter den betroffenen Sudanesen befanden sich Personen, die gar keinen Asylantrag in Belgien stellen wollten oder nicht über ihre Rechte informiert waren; aber auch solche, denen das Stellen eines Asylantrags verweigert wurde, weil sie keine Identitätsdokumente besaßen.

Dabei enthält die Genfer Flüchtlingskonvention einen Passus, der besagt, politischen Flüchtlingen dürften für fehlende Identitätsnachweise nicht bestraft werden (Artikel 31), eben weil sie fliehen mussten und sich nicht an die Behörden ihres (Verfolger-)Staates wenden konnten.

Prompt wurden in einem ersten Anlauf 43 Sudanesen "identifiziert", und die Ersten von ihnen umgehend abgeschoben. Auch in etablierten belgischen Medien erschienen im selben Zeitraum Artikel, die von einer "Schande" für das Land sprachen.

Es sei daran erinnert, dass seit 2009 und 2010 zwei Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen den (seit 1989 regierenden) sudanesischen Präsidenten Omar Al-Baschir vorliegen, besonders wegen Verbrechen in der Provinz Darfur. Nur hat bislang kein Land ihn vollstreckt, während Machthaber wie Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan weiterhin gute Beziehungen zu Al-Baschir unterhalten.

Es kam, wie es kommen musste: In den Sudan Abgeschobene, unter ihnen auch Menschen aus der Kriegsprovinz Darfur, wurden bei ihrer Ankunft in Khartum verhaftet - und gefoltert. Der Chef des belgischen Ausländeramts, Freddy Roosemont, zieht dies offiziell in Zweifel: Dass die unfreiwilligen Rückkehrer aufgegriffen und verhört worden seien, sei "normal", doch Misshandlungen hält er für "nicht definitiv" erwiesen.

Mehrere belgische Parteien, unter ihnen auch die Christdemokraten, forderten daraufhin den Stopp von Abschiebungen in den Sudan. Theo Francken behauptete daraufhin wahrheitswidrig, diese Forderung sei gegenstandslos, es stünden ohnehin keine Abschiebungen in den Sudan "bis Februar 2018".

Ferner wurde publik, Francken sei durch einen unter Verschluss gehaltenen Bericht des belgischen Flüchtlingsamts CGRA über die Risiken von Misshandlungen für Rückkehrer in den Sudan vorab gewarnt worden.

Theo Francken schloss einen Rücktritt jedoch aus. Aufgrund der starken Stellung seiner Partei im flämischen Landesteil sowie der Koalitions-Arithmetik in Brüssel verbleiben die N-VA - und Theo Francken mit ihr - nun mindestens vorläufig in den Regierungssesseln.