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Seite 2: Der Magnus-Effekt

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Der deutsche Physiker Gustav Magnus, Professor an der Berliner Universität, hat 1852 die Fortbewegung von rotierenden Körpern studiert und den Effekt postuliert, der heute seinen Namen trägt. Abb. 1 zeigt eine im Uhrzeigersinn rotierende Kugel, die sich außerdem von links nach rechts fortbewegt. Die umgebende Luft bewegt sich, relativ zum Ball, von rechts nach links. Der Luftwiderstand bremst also den Ball ab. Durch die Rotation des Balls ist die relative Geschwindigkeit der Luft über dem Ball relativ zur Balloberfläche niedriger als unter dem Ball. Nach dem Bernoulli-Prinzip ist der Druck der schnelleren Luft niedriger und so entsteht eine Kraft nach unten.

Abb. 1: Der Magnus-Effekt. Bild: Bartosz Kosiorek/CC-BY-SA-3.0

Rechts in Abb. 1 habe ich zur Verdeutlichung kleine Flügel an den Ball gemalt, die die Reibung mit der Balloberfläche darstellen. Die Luftpartikel treffen oben stärker auf die Flügel als unten: d.h. die Luft drückt den Ball nach unten, senkrecht zur horizontalen Fortbewegungsrichtung des Balls. Das war gerade Newtons Erklärung der gekrümmten Bahn eines Tennisballs.

Der Effekt, wenn der Ball Miniflügel hätte. Bild: s.o.

Ähnlich wie beim Ball, der auf dem Rasen rollt, kann man hier sehen, dass der Ball in der Luft über die unteren Luftschichten "rollt", während der Ball sich oben an der Luft reibt. Die unmittelbare Luftschicht am Ball hat deswegen längeren Kontakt in der unteren als in der oberen Hälfte des Balls. Die oberen und unteren Luftschichten treffen sich hinter dem Ball. Ist die Fortbewegung jedoch sehr schnell, können die Luftschichten "reißen" und es entstehen hinter dem Ball Turbulenzen.

Abb. 2: Turbulenz hinter dem Ball

Abb. 2 zeigt die Trennung der Luftschichten und die Entstehung von Turbulenz hinter dem Ball (der diesmal von rechts nach links fliegt). Turbulenzen helfen, die Reibung mit dem Medium zu verkleinern, so wie es Haifische mit ihrer Haut tun und so wie Golfbälle Dellen haben, um ein Kissen von kleinen Luftwirbeln rund um den Ball zu erzeugen.

Experimentelle Physiker haben deswegen seit je her Fußbälle in Windkanäle gesteckt, um die Turbulenz hinter dem Ball zu visualisieren. Abb. 3 zeigt da Ergebnis eines solchen Experimentes. Wird der Ball schneller relativ zur umgebenden Luft, ist der turbulente Schweif hinter dem Ball enger. Der Luftwiederstandkoeffizient wird kleiner.

Die Turbulenzen helfen also, einen niedrigeren Widerstandskoeffizienten des Balls in der Luft zu erreichen. Der Luftwiderstand ist proportional zum Produkt der Querschnittfläche des Balls mit dem Quadrat der Ballgeschwindigkeit und mit dem Widerstandskoeffizient, der unterschiedlich für laminaren bzw. turbulenten Fluss ist.

Abb. 4 ist für mich sehr interessant: Der Adidas-Ball "Teamgeist" wurde in den Windkanal gesteckt und die Widerstandskonstante wurde für unterschiedliche Windgeschwindigkeiten (mit einem fixierten nicht-rotierenden Ball) gemessen (die Punkte in der Grafik).2 Wenn die relative Ballgeschwindigkeit unter 15m/s fällt, ändert sich die Widerstandskonstante abrupt. Das ist ein Phasenübergang beim Luftwiderstand. Der Ball, der bereits eine niedrigere Geschwindigkeit erreicht hat, wird noch stärker von der Luft gebremst. Die durchgehende Linie ist eine Kurvenanpassung und zeigt den Übergang zwischen beiden Phasen des Ballflugs.

Abb. 4: Experimentelle Punkte im Windkanal für den Ball "Teamgeist". Die horizontale Achse stellt die relative Ball-Luft-Geschwindigkeit dar, die vertikale Achse den Wert der Widerstandskonstanten Cd.

In Japan spielt man auch guten Fußball und man steckt auch Bälle in den Windkanal. Abb. 5 zeigt einen Vergleich der gemessenen Widerstandskoeffizienten für einen alten Ball, für den Jabulani und für Brazuca. Wie man erkennt, trat beim Jabulani der Phasenübergang bei höheren Geschwindigkeiten ein, als bei dem Brazuca bzw. dem alten Ball. Ein Fußballer kann den Ball hart schießen (über 80 km/h) und das stabilisiert den Ball, weil der Luftwiderstandskoeffizient stabil bleibt. Bei nicht so harten Schüssen kann die Geschwindigkeit in die kritische Region fallen und es kann ein Flattern entstehen.

Man sieht in der Abbildung, dass der Jabulani früher als der Brazuca in die kritische Region kommt (da der Ball abgebremst wird, muss man beim harten Schuss der Kurve von rechts nach links folgen). Deswegen also die Kritik der Fußballer an dem Jabulani. Um den Ball beim Freistoß zu stabilisieren, ist erstens notwendig, ihn hart zu treten, und zweitens, dem Ball ordentlich Spin zu geben, wie es gute Fußballer tun.

Abb. 5: Widerstandskoeffizient für einen 32-Panel Fußball, den Jabulani und den Brazuca. Daten aus dem Windkanal von Takeshi Asai (University of Tsukuba).

Wenn man Abb. 1 jetzt nochmals betrachtet, ähneln die Stromlinien der Luftzirkulation um den Flügel eines Flugzeugs (nur auf den Kopf gestellt). D.h. man könnte auf diese Weise Flugzeuge bauen, die den Magnus-Effekt verwenden um von der Luft getragen zu werden, oder auch Schiffe, die durch den Magnus-Effekt vorwärts getrieben werden. Und in der Tat hat es solche Transportmittel gegeben, wie Abb. 6 zeigt, ein von Anton Flettner 1924 fertiggestelltes Rotorschiff. Obwohl die "Buckau" energetisch nicht sehr effizient war, war es eine gelungene Konzeptüberprüfung der Anwendbarkeit des Magnus-Effekts. Im Jahr 1926 konnte Flettner sogar ein Flugzeug mit Rotoren anstatt Flügeln demonstrieren.

Abb. 6: Das Rotor-Schiff "Buckau" von Anton Flettner. Bild: Library of Congress