Benvenuto Presidente!

Für das Phänomen eines praktisch sinnentleerten Wahlkampfs mit unerwartetem Ausgang ist Hal Ashbys tief beunruhigende Politik-Satire von 1979, "Being There", ein Vorbild

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In Ricardo Milans Gesellschaftssatire "Benvenuto Presidente!", die 2013 in die europäischen Kinos kam, wird der joviale, völlig unambitionierte Giuseppe Garibaldi aus einer entlegenen Bergregion Italiens aufgrund eines Irrtums in das höchste politische Amt des Landes gewählt. Peppino, wie er von seinen Freunden zu Hause genannt wird, gelingt die Anpassung an die Gepflogenheiten der römischen Elite erstaunlich reibungslos, nur mit der politischen Etiquette hapert es anfangs ein wenig.

Wie Peppino so mag sich auch Donald Trump am Morgen nach der Wahl gefragt haben, wie es eigentlich gekommen ist, dass er im Januar als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ins Weiße Haus einziehen wird. Auch wenn der Vergleich hinkt — Trump ist eines sicher nicht, unambitioniert! -, die Frage nach den Gründen für seinen Erdrutsch-artigen Sieg vom Dienstag beschäftigt so ziemlich alle, die sich in den Medien dieser Welt zu Politik und den Zeitläufen äußern. Was um Himmels Willen treibt bloß diese Amerikaner um, dass sie einem Buffon und Rattenfänger wie Trump auf den Leim gehen?

Von Historikern und Amerika-Kennern wurde in zahllosen Kommentaren zur Wahl zumeist auf die geographische Größe und ethnisch-kulturelle Vielfalt der USA verwiesen, die gepaart mit einem vormodernen Politikapparat, der wahltechnisch auf der Stufe der Siedlergesellschaft des 19. Jahrhunderts stehen geblieben ist, die aus europäischer Sicht als schrill empfundene Inszenierung ungezügelten Maulheldentums à la Trump ermöglichten.

Von eher konservativen Kommentatoren hört man ferner, die den letzten 30 Jahren zunehmend in den amerikanischen Mainstream gerückte Identitätspolitik, der exotische Themen wie der freie Toilettenzugang Transsexueller wichtiger sind als die prekärer werdenden Lebens- und Arbeitsumstände der von der Globalisierung abgehängten weißen Mittelschicht im sogenannten "Rust-Belt" des mittleren Westens habe den Ausschlag gegeben.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wird wiederum gerne die Ruchlosigkeit der von zahlungskräftigen Industriellen wie den Koch-Brüdern unterstützten Republikaner ins Feld geführt, die sich für wirklich jeden noch so schmutzigen Trick (etwa der unverhohlenen Behinderung von Wählern in überwiegend afro-amerikanischen Landesteilen) nicht zu schade sind, solange sich damit die Wahlen in ihrem Sinne manipulieren lassen. Und natürlich kommt man kaum umhin, auch den mit wenigen Ausnahmen kommerziell agierenden Medien die (Mit-)Schuld am völligen Versagen oder besser: Versiegen einer jenseits des Spektakels sich formierenden Auseinandersetzung um politische Inhalte zu geben.

Zweifellos haben alle diese Faktoren ihren Anteil an der schon jetzt als historisch einzustufenden Wahl Trumps. Und doch, so bleibt festzuhalten, können sie immer nur Teilaspekte der beunruhigenden Zustimmung von immerhin fast 60 Millionen Amerikanern zu den in sich widersprüchlichen, nationale wie internationale Gegebenheiten ignorierenden Wahlaussagen Trumps erklären.

Interessanterweise gibt es für das Phänomen eines praktisch sinnentleerten Wahlkampfs mit unerwartetem Ausgang auch im amerikanischen Film Vorbilder. So kann in Hal Ashbys tief beunruhigender Politik-Satire von 1979, "Being There" (deutsch: "Willkommen Mr. Chance"), der von dem grandiosen Peter Sellers verkörperte autistische Gärtner Chance trotz völliger Inkompetenz zum ernstzunehmenden Anwärter auf die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten aufsteigen. Der Film basiert auf einer Novelle des polnisch-stämmigen, postmodernen Autors Jerzy Kosinski von 1970.

Chance, der bis zum Tod seines wohlhabenden Arbeitgebers lediglich durch ausgedehnten Fernsehkonsum Kontakt zur Außenwelt hält, fasziniert das nach Sinn lechzende Wahlvolk gerade wegen seiner extrem reduktiven, der Welt des Gartens und seiner Pflanzen entliehenen Metaphern, die in ihrer völligen Politikferne die Tür für eine mögliche, dahinter verborgene Sinnhaftigkeit offenhalten.

Chance, um ein Bild des damals wirkungsmächtigen Poststrukturalismus zu gebrauchen, ist der Fleisch-gewordene, "freischwebende Signifikant" (Derrida), dessen proliferierende Signifikate nicht für jeden etwas, sondern für alle nichts bereithalten. Anders ausgedrückt, das wirre Gestammel des Gärtners lässt alle herkömmlichen Kategorisierungen des politischen Diskurses obsolet erscheinen; dass es trotzdem so erfolgreich ist, hat allein damit zu tun, dass es einer Politik, der das Politische schon lange abhandengekommen ist, rhetorisch den Spiegel vorhält.

Nun ließe sich einwenden, Trump wisse durchaus, was er tut und sagt — vor allem: wie er es sagt — doch seine emotionale Volatilität und der manchmal fast rührende Versuch, bei all den nichtssagenden Phrasen dennoch den Eindruck von Stringenz und Kontrolle zu vermitteln, lässt eben genau daran Zweifel aufkommen. Ist er also Gärtner oder Demagoge, Popanz oder doch Bauernfänger?