Beraterkosten in der Kritik: Von Rattenplagen bis zur Deutschen Bahn

Hände mit zeigen mit Stiften auf Deutschland-Diagramm

Bild: David Gyung / Shutterstock.com

Bei Krisen sind Experten gefragt. Doch wer profitiert wirklich von den teuren Ratschlägen? Skandalfälle von New York bis Berlin.

In New York sollen neue Vorschriften für ein Ende der Rattenplage sorgen. Ab November 2024 sollen Grundstückseigentümer einen Abfallsammler mit Verschlussdeckel verwenden. Als "Müllrevolution" kündigt der New Yorker Bürgermeister Eric Adams diese Neuerung an. Kritiker bemängeln die Kosten. Denn die Pläne für die neuen Mülleimer sind das Ergebnis der Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma McKinsey, für die New York 1,6 Millionen Dollar zahlte, meldet businessinsider.com.

Auch hierzulande sind Kosten für Unternehmensberater in der Kritik. Mängel werden häufig pauschal geäußert und anscheinend gewinne das "lauteste Argument", erläutert Professor Thomas Deelmann auf consulting.de.

Lobend äußert sich der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff:

Bei Begegnungen mit den Beraterinnen und Beratern fällt mir oft deren Spirit auf", sagt Wulff. "Das sind Menschen, die nicht nörgeln oder klagen, sondern in einem Problem eine Chance sehen.

Christian Wulff

"Aussagen mit dem Tenor, es werde zu viel beraten, kann man nun aber auch relativ leicht umdrehen und mit einem auf das Gegenteil zeigenden Fall kontern", so Deelmann. Denn ein Rückgang von Beraterbeauftragungen trage auch nicht zum unternehmerischen Erfolg bei.

So ging bei der Deutschen Bahn die Zahl Beauftragungen von Managementberatungsleistungen von 86 im Jahr 2022 auf nur 65 im Jahr 2023 auf klägliche 22 im ersten Halbjahr 2024 zurück – und die Leistungen der Bahn haben dann ja auch deutlich nachgelassen, wie das vielfach geklagte Leid von Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer gut belegt.

Thomas Deelmann

Consulting als Vorwand für beschlossene Änderungen?

Die Erfahrungen der Belegschaften mit Consultants im Betrieb sind oft negativ. Dabei sind die Gründe für den Berater-Einsatz unterschiedlich. Die Externen können bei geplanten Umstrukturierungen, Änderungen von Arbeitsabläufen, dem Einsatz neuer Technik oder im Vorfeld beabsichtigter Investitionen eingesetzt werden. Die Folge ist oftmals Personalabbau.

In manchen Unternehmen werden Berater als "Interims-Geschäftsführer" eingesetzt, um beschlossene Veränderungen durchzusetzen. Oder die Bestandsaufnahme wird so aufgesetzt, dass gewünschte Ergebnisse auch dokumentiert werden. Externe sollen so für Akzeptanz bei Umstrukturierungen oder Personalabbau sorgen.

Der Beratungsvertrag, der zwischen der Consulting-Firma und Unternehmen geschlossen wird, kann unterschiedliche Regelungsebenen umfassen: Eine bestimmte Aufgabe macht für Unternehmen nur Sinn, wenn damit Ergebnisverbesserungen oder Einsparungen verbunden sind. Eine quantifizierbare Zielsetzung – z. B. Einsparungen in Höhe von X Mio. Euro – wird eher selten in Verträge aufgenommen.

Aber Angaben über die Zielrichtung, wie die Personalkostensenkung, wird das Unternehmen mit regeln. Häufig wird auch festgelegt, ob und in welcher Form Zwischen- und Abschlussberichte vorzulegen sind. Darunter fällt die Frage,

  • ob die Beratung auf die Präsentation von Vorschlägen begrenzt ist oder
  • ob die Beratung auch die Umsetzung der Empfehlungen in der Praxis umfasst

Die zeitliche Struktur kann unterschieden werden zwischen "am Stück"-Arbeiten und Intervall-Beratungen. Erstere sehen die Beratung in einem festgelegten Zeitraum ohne Unterbrechungen vor.

Bei Intervall-Beratungen dagegen wird die Beratungsleistung in verschiedenen Stufen vorgenommen: Die Berater erledigen eine Teilaufgabe des Beratungsauftrags, verlassen den Betrieb und kommen zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurück, um den nächsten Teil des Auftrags auszuführen.

Bei der Honorarvereinbarung besteht auch die Möglichkeit eines Erfolgshonorars, das von zu erzielenden Einsparungen abhängt.

Arbeitsdruck durch Unternehmensberatungen

An oberster Stelle steht bei vielen Beratungsaufträgen die Begrenzung sogenannter nicht-wertschöpfender Tätigkeiten. Dazu zählen im Industriebereich das Holen von Werkzeugen, Reparaturarbeiten oder die Nachbearbeitung. Auch Abstimmungen zwischen Schichten oder Arbeitsgruppen können dazu gehören.

Übersehen wird bei dieser Suche nach "Luft in den Prozessen" bewusst: Diese Arbeiten dienen den Beschäftigten nicht nur dazu, auch eine kleine Verschnaufpause zu haben, sie sind vielmehr in der Regel Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Erledigung der Arbeit. Unternehmensberater können diesen Zeitaufwand niedriger ansetzen, um ein hohes Einsparpotenzial zu erzielen. Die Folge ist häufig steigender Leistungsdruck in den Betrieben.

Beratungsbosse fordern Agenda 2035

Die großen Player der Beraterbranche sehen ihre Rolle anders. Vielmehr beanspruchen McKinsey, Boston (BCG) und Roland Berger mit einer "Agenda 2035" einen Plan für die Bundesrepublik zu haben.

Die Strategieentwicklung solle – wie bei der Beratung von Unternehmen – mit einer Bestandsaufnahme beginnen und zur Zieldefinition und Entwicklung eines Leitbilds führen. Zielparameter sollen erarbeitet werden, um zu ermitteln, inwieweit die Ziele erreicht sind.

Die eigentlich in Konkurrenz stehenden Consulting-Multis fordern in einem gemeinsamen Papier öffentliche Investitionen und die Senkung von Steuern. "Deutschland ist ein Restrukturierungsfall", sagt Stefan Schaible, CEO von Roland Berger. Eine stärkere Digitalisierung in den Unternehmen könnte laut McKinsey und BCG die Arbeitsproduktivität steigern.

Künstliche Intelligenz (KI), Cloud-Computing, Cyber-Security-Lösungen und Quantencomputing oder Wearables als Kleidung, die zugleich Körperfunktionen überwacht, könnten die Unternehmen voranbringen. "Es braucht Mut und Anstrengung", betont Fabian Billing, McKinsey-Deutschlandchef. Die "Agenda 2035" gelinge nur im "gemeinschaftlichen Schulterschluss".

Dass mit KI und Cloudworking ausgerechnet Bereiche vorangetrieben werden sollen, die Beratungsbedarf enthalten, verschweigen Verfasser des "Deutschlandplans".