Bereitet Kiew eine Offensive im Donbass vor?

Bild: Ukrainisches Verteidigungsministerium/CC BY-SA-2.0

Russische Staatsmedien verbreiten den Verdacht, der sich nicht ganz von der Hand weisen lässt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der militärische Konflikt zwischen den prorussischen Separatisten in den beiden "Volksrepubliken" und den ukrainischen Streitkräften ebbt immer wieder auf und ab. Zwar wurde wieder mal von der Trilateralen Kontaktgruppe seit 30. März ein "Ostern"-Waffenstillstand vereinbart, das hat an den Kämpfen wenig geändert, denen immer wieder vor allem Soldaten oder Milizen, aber auch Zivilisten zu Opfer fallen. An einem Fortschritt des Minsker Abkommens haben beide Seiten kein Interesse.

Derzeit sieht es so aus, als würden sich die Kämpfe vor allem auf die von den Separatisten gehaltene Stadt Horlivka konzentrieren. Auch die OSZE-Beobachter meldeten am Montag, dass es hier vermehrt zu Waffenstillstandsverletzungen gekommen sei. Auf beiden Seiten wurden schwere Waffen wie Panzer, Raketen- oder Granatenwerfer in der Nähe der Kontaktlinie beobachtet, die dort eigentlich zurückgezogen sein sollten. Daneben finden gegenseitige Beschießungen in Dörfern um Mariupol und Avdiivka statt. Horlivka stand 2014 schon einmal im Mittelpunkt des damals heißen Kriegs, da sie als Portal zum nur 40 km entfernten Stadtzentrums von Donezk gilt, das nach der Einnahme sehr viel verwundbarer geworden wäre.

Am Montag hätten, so melden russische und separatistische Medien, Einheiten der ukrainischen Armee Dörfer bei Horlivka (Gorlovka) angegriffen. Gegenüber strana.ua sagte ein Sprecher des Militärs, man wolle die Schlinge um die Stadt zuziehen. Man habe einen Stützpunkt bei Golmovsky angegriffen und drei Gefangene gemacht. Der Rückzug sei unter Beschuss seitens der Separatisten erfolgt. Bei dem Angriff, an dem nach ukrainischer Seite keine Panzer teilgenommen haben sollen, wurden auch Wohnhäuser beschädigt und Menschen getötet und verletzt.

"Gorlowka ist umgeben von günstig gelegenen Höhen, insbesondere in der Ortschaft Juschnoje. Wer diese Höhen beherrscht, beherrscht die Stadt - von dort aus lässt sich die ganze Stadt unter Beschuss halten", so begründete der Sprecher der ukrainischen Armee den Plan. Die Höhen würden in der "grauen Zone" liegen, die nicht durch das Minsker Abkommen geregelt ist. Von den Höhen könne man weiter nach Debalzewo, wo die Ukraine eine schwere Niederlage erlitten hat, und nach Jenakijewo vorrücken. Angeblich wurde die Offensive auf Horlivka von den Separatisten abgewehrt und bleiben die Höhen unter ihrer Kontrolle.

Die OSZE-Beobachter sind konsterniert: "Beide Seiten behaupten, sie würden das Feuer nur erwidern, keine Seite weiß, wer begonnen hat. Das ist ein sinnloser Gewaltzyklus. Es gibt keine Logik, mit der Artillerie auf #Svitlodarsk oder #Horlivka in der Nähe von zivilen SMM-Beobachtern und einer Schule mit hunderten Kindern zu dieser Zeit zu schießen." Ganz so sinnlos könnten die aufflammenden Kämpfe aber nicht sein, allerdings seien die Kämpfe am Dienstag wieder zurückgegangen. Die Ukraine meldet, dass am Dienstag die Separatisten "riesige Verluste" erlitten hätten. Es seien 15 "russische Besetzer" getötet und 10 verletzt worden.

Test der von den USA gelieferten Anti-Panzer-Raketen Javelin am 22. Mai. Bild: president.gov.ua/CC BY-SA-4.0

Blitzkrieg als Provokation?

Spekuliert wird in russischen Medien, dass Kiew möglicherweise eine größere Offensive planen könnte. Der Politologe Sergej Markow spekulierte Anfang Mai über einen Angriff zwischen dem 3. und 5. Juni auf den Donbass. Kiew würde dann einen Blitzkrieg vor dem Beginn der Fußballweltmeisterschaft starten, während in den baltischen Ländern und in Polen das große Nato-Manöver Saber Strike stattfindet. Da die ukrainischen Streitkräfte in wenigen Tagen die separatistischen Milizen überrollen würden, wäre Moskau vor die Entscheidung gestellt, den Kämpfen zuzuschauen oder einzugreifen, wodurch mindestens ein Boykott der Weltmeisterschaft erreicht werden könnte.

Vorausgegangen war, dass Kiew im März die unter dem Kommando des Geheimdienstes SBU stehende "Antiterroroperation" (ATO) für beendet erklärt hat, nachdem ein Gesetz zur Reintegration des Donbass im Februar verabschiedet wurde. Unter der Bezeichnung ATO wurden bislang die Separatisten militärisch als "Terroristen" bekämpft. Im Mai werde man, so kündigte Poroschenko Anfang April an, neue Maßnahmen in einem neuen "Format" einführen, nämlich als "Operation der Gemeinsamen Streitkräfte" (JF). Eingeführt wurde sie am 30. April, das Oberkommando liegt beim Militär.

Inzwischen haben die USA militärische Hilfe von 350 Millionen US-Dollar zugesagt und bereits Anti-Panzer-Raketen Javelin geliefert, die gerade getestet wurden und den ukrainischen Streitkräften nicht nur bei der Verteidigung einen Vorteil verschaffen können. Poroschenko betonte gestern natürlich, es sei eine "rein defensive Waffe". Seit 2014 haben die USA nach der US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, fast eine Milliarde US-Dollar an Militärhilfe seit 2014 ausgegeben.

In Russland wird weiter verbreitet, dass die Ukraine eine militärische Offensive vor oder während der Fußballweltmeisterschaft vorbereiten würde. So berichtet Sputnik, zwei von den Separatisten an der Kontaktlinie gefangene ukrainische Soldaten hätten gesagt, dass Kiew eine Offensive plane.

Die gefangenen ukrainischen Soldaten, die von einer geplanten Offensive gesproch haben.

Man habe an die Zeit vor den russischen Präsidentschaftswahlen oder vor der Fußballweltmeisterschaft gedacht, soll der eine gesagt haben: "Wir haben uns ständig auf irgendetwas vorbereite … Auch mehr Munitionssätze sowie Brenn- und Schmierstoffe wurden an uns geliefert … Auch der Kommandeur hat uns gesagt, dass jede Einheit an der Frontlinie unmittelbar vor der Offensive mit einer US-Panzerabwehrrakete "Javelin" versorgt werde." Der zweite, an anderem Ort gefangene Soldat soll die Vorbereitungen bestätigt haben. Wie die Aussagen zustande kamen und ob sie freiwillig erfolgten, lässt sich nicht sagen.