Berg-Karabach: Der endlose Konflikt im "schwarzen Garten"

Seite 2: Das Ende des Vielvölkerstaates und die Folgen

Trotz wiederholter Vorstöße Armeniens sowie der Vertreter von Berg-Karabach zum Wechsel der Zugehörigkeit änderte sich daran bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 nichts. Der Niedergang des sowjetischen Vielvölkerstaates führte 1988 unter Michail Gorbatschow zu einem erstarkenden Nationalismus auch im Kaukasus und zum Antrag Berg-Karabachs auf einen Wechsel von Aserbaidschan zur Sowjetrepublik Armenien, der jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin erklärte sich das Gebiet 1991 unter dem Namen "Republik Berg-Karabach", seit 2017 "Republik Arzach" (der armenische Name für Berg-Karabach) einseitig für unabhängig, was von keinem anderen Staat anerkannt wurde, mangels Erfolgsaussichten auch nicht von Armenien.

In der Folge entwickelte sich von 1991 bis 1994 ein regelrechter Krieg mit Beteiligung regulärer Armeeverbände beider Seiten, der bis zu 30.000 Opfer forderte und etwa 700.000 Aserbaidschaner sowie 400.000 Armenier zur Flucht aus der Region zwang. Er endete mit einem Sieg Armeniens, der Aufrechterhaltung des Status Berg-Karabachs und der Besetzung umliegender aserbaidschanischer Gebiete, der sogenannten sieben Distrikte, die Armenien fortan als "Pufferzonen" mit der Argumentation militärischer Sicherheit besetzt hielt.

"Einfrieren" als einzige Chance

Zwischen 1991 und 2020 entstand aus dieser Konstellation ohne definitive Lösung ein "frozen conflict", ein mehr oder weniger bewusst eingefrorener Konflikt. Das "Einfrieren" erschien den Hintergrundmächten und der internationalen Gemeinschaft, darunter Russland, der Türkei, dem Iran und der OSZE sowie verschiedenen EU-Staaten in der Minsker Gruppe, darunter Frankreich, angesichts der Komplexität und fehlender Lösungsperspektiven die einzige Möglichkeit, die Region in Balance und Stabilität zu halten.

Vom 27. September bis 10. November 2020 entwickelte sich jedoch ein neuer, sechswöchiger Regionalkrieg, in dem die aserbaidschanische Armee mit Unterstützung der "Brudernation" Türkei mit einem Großangriff auf angebliche armenische Provokationen "reagierte". Dabei wurden angeblich durch die Türkei vermittelte arabische, darunter syrische und libysche Söldner sowie modernste Waffen eingesetzt, darunter Drohnen sowie schwere Fernbombardements. Bereits vorher gab es 2016 und dazwischen immer wieder kleinere Scharmützel mit Toten, die von der internationalen Gemeinschaft kaum registriert wurden.

Die zu kleine OSZE-Grenzkontrollmission mit einem Team von nur sechs Mitarbeitern war mit der Situation überfordert. Dieser jüngste Krieg forderte mindestens 4.000 Opfer und endete mit einem deutlichen Sieg Aserbaidschans. Am 10. November wurde nach dem Scheitern von EU- und OSZE-Friedensmissionen unter mehr oder weniger monolateraler Vermittlung von Armeniens Schutzmacht Russland ein Waffenstillstand vereinbart.

Dieser sah die Stationierung russischer Schlichtungstruppen, die territoriale Rückgabe der sieben besetzten Distrikte sowie von Teilen des Territoriums von Berg-Karabach an Aserbaidschan sowie die prinzipielle Wiederherstellung der Souveränität Aserbaidschans über das Territorium vor, wobei viele Einzelmodalitäten zu klären blieben. Von den rund 150.000 Einwohnern Berg-Karabachs, die nach Angaben der Bundeszentrale für Politische Bildung zu 99 Prozent Armenier sind, waren im Verlauf des Kriegsgeschehens etwa 90.000 geflohen.

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