Beschleunigte Evolution - für den ökologischen Landbau?

CRISPR/Cas-Komplex mit DNA. Größeres Foto: hier. Urheber: Thomas Splettstoesser (www.scistyle.com) / CC BY-SA 4.0

Widerstandsfähiges Getreide, das von keiner Krankheit befallen wird - mit Crispr-Cas könnte es wahr werden. Ist das die Zukunft der Landwirtschaft?

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Als Crispr-Cas9 (kurz für: Clustered regularly interspaced short palindromic repeats- Cas9-System) wird eine neue gentechnische Methode bezeichnet, die es erlaubt, Gene an einer bestimmten Stelle ein- oder auszuschalten. Während in der herkömmlichen Gentechnik das Fremd-Gen mittels Genkanone in die Zelle geschossen wird, wo es eher zufällig in den Zellkern eindringt, wird nun an einer exakt definierten Stelle der Erbgutstrang zerschnitten Dafür werden Eiweißkomplexe als eine Art biologische Schere benutzt.

Auf diese Weise lassen sich nicht nur "ungünstige" Eigenschaften herausschneiden, sondern auch "günstige" Erbinformationen einfügen, zum Beispiel solche, die die Pflanzen robuster gegen die Witterung, resistenter gegen Schädlinge oder einfach nur ertragreicher macht. Auch die Forschungsbehörde des Pentagon hat damit noch viel vor: Darpa will "einfache Pflanzen als Informationssammler der nächsten Generation".

Als Entdeckerinnen des Verfahrens gelten die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier sowie die amerikanische Biochemikerin Jennifer Doudna. Ursprünglich beruht Crispr-Cas auf einem Immunsystem von Bakterien, mit dessen Hilfe diese sich gegen bakterienspezifische Viren (so genannte Phagen) zur Wehr setzen.

Leistungsfähige Technologie mit großem Potential

Kürzlich entdeckte ein Wissenschaftlerteam um Martin Jinek von der Universität Zürich noch einen weiteren, bisher unbekannten Abwehrmechanismus von Bakterien: Fordert der Angriff der Phagen das Crispr-Cas-Immunsystem zu stark, gibt das System eine Art Notsignal, wodurch ein Enzym aktiviert wird, das dabei helfen soll, die Phagen unschädlich zu machen.

Unter Genetikern und Medizinern gilt Crispr-Cas als leistungsfähige Technologie mit großem Potential. Weil einzelne Gene gezielt ausgeschaltet werden, können bestimmte Eigenschaften einer Pflanze, eines Tieres oder auch eines Menschen gezielt geändert werden - und dies mit weniger unerwünschten Nebeneffekten. Seltener wird allerdings erwähnt, dass mit der Genschere auch artfremdes Erbmaterial eingefügt werden und das Erbgut einer Pflanze komplett umgestaltet werden kann.

In Europa wird der Umgang mit genetisch veränderten Organismen durch ein Gentechnik-Gesetz geregelt. Weil aber die Veränderungen durch Crispr-Cas nicht von natürlich auftretenden Mutationen zu unterscheiden sind, brüten die Gesetzgeber über der Frage, ob derartig manipulierte Pflanzen unter das Gentechnik-Gesetz fallen oder nicht. 2018 will der Europäische Gerichtshof darüber entscheiden.

Gendefekte reparieren

Auch genetisch bedingte Krankheiten wie zum Beispiel Stoffwechselerkrankungen, die bisher als unheilbar galten, sollen mit der neuen Methode nun geheilt werden. Möglich scheint auch eine genetische Aufrüstung von Immunzellen zum Kampf gegen Tumoren oder gegen das Immunschwächevirus HIV.

Auf dem Gebiet der Humanmedizin gelang dem Wissenschaftler-Team um Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Science and Health University kürzlich ein neuer Vorstoß. Es "reparierte" bei 42 von 58 menschlichen Embryonen das Gen für eine Herzkrankheit, ohne den Embryonen zu schaden. Damit konnten sie einen Gendefekt beheben, der zur Herzmuskelverdickung führt.

Durch eine im Dezember 2015 von International Summit on Human Gene Editing bekräftigte Erklärung ist der Eingriff in die menschliche Keimbahn gegenwärtig bislang noch verboten. Würden nicht bald klare ethischen Grenzen gesetzt, warnen Kritiker, werde es immer schwieriger, der so genannten Keimbahntherapie eine Absage zu erteilen.

Gentechnik im Öko-Landbau?

Am Leibnizinstitut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung experimentiert man unterdessen mit Gerste, in deren Genom man eine artverwandte DNA einsetzt. Die Wissenschaftler behaupten, diese Eingriffe unterscheiden sich nicht von konventionellen Züchtungen bzw. von Mutationen, die auf natürlichem Weg entstanden sind. Mit Hilfe von Crispr-Cas gehe die "Züchtung" zielgerichteter und schneller.

Auch an der Uni Zürich untersucht man, welche Pflanzengene für die Widerstandsfähigkeit gegen Pilze verantwortlich sind. Weil arteigene Resistenzgene mittels Crispr-Cas aktiviert werden, brauchen die neuen Getreidesorten nicht mehr gegen Mehltau oder andere Krankheiten behandelt zu werden.

Eine solche Pflanze wäre ein idealer Kandidat für den ökologischen Landbau, schlussfolgert Adrian Percy. Der Bayer CropScience-Mitarbeiter hält die neuen Methoden absolut vereinbar mit den ökologischen Anbaumethoden. Sein Ziel ist es, Pflanzen zu entwickeln, die widerstandsfähiger sind gegen den Klimawandel, also Dürre und Hitze, aber auch solche, die weniger Dünger brauchen.

Viele weitere Wissenschaftler halten das Zerschnippeln von Genomen für gerechtfertigt, wenn sich die Eigenschaften von Pflanzen damit "verbessern" lassen. Umso mehr natürlich, wenn eine Pflanze dadurch schneller auf den Markt gebracht werden kann.

Denn um im Wettbewerb mit anderen Unternehmen mitzuhalten, müssen Pflanzenzuchtunternehmen schnell sein, weshalb sich inzwischen auch kleinere und mittelständische Unternehmen, die jahrzehntelang auf traditionelle Pflanzenzüchtung setzten, mit der neuen Technik befassen.

Sollten die manipulierten Pflanzen als gentechnisch veränderte Produkte eingestuft werden, würde eine Zulassung wegen aufwändiger Studien zur Unbedenklichkeit vermutlich so teuer werden, dass sich dies nur noch die großen Konzerne leisten können.