Biden in Kiew: "Der wichtigste Besuch in der Geschichte der Ukraine"

Foto: Weißes Haus

Während sein Außenminister Blinken Warnungen an China verteilt, besucht der US-Präsident Selenskyj, um Zweifel an der Unterstützung auszuräumen. Er kündigt neue Waffenlieferungen an.

Zwischen Kiew und Moskau liegen etwa 760 Kilometer Luftlinie; geostrategisch ist der Besuch eines US-Präsidenten in Kiew ein Besuch vor der "Haustür Putins".

US-Präsident Joe Biden lieferte heute Videos, Fotos und Botschaften, adressiert nicht nur an die Weltöffentlichkeit, sondern auch an den Herrscher im Kreml. Den Eilmeldungen über den sorgsam geplanten Überraschungsbesuch, so wurde Russland vorab informiert, folgten Bilder und Worte einer nahtlosen Eintracht zwischen Biden und Selenskyj, untermalt von zitierfähigen Sentenzen.

Dies ist der wichtigste Besuch in der Geschichte der Ukraine.

Wolodymyr Selenskyj

Ein Jahr später steht Kiew. Und die Ukraine steht. Die Demokratie steht.

Joe Biden

Dazu gab es Zusagen von Biden zu weiteren Waffenlieferungen: "Artilleriemunition, Panzerabwehr-Systeme und Überwachungsradar zum Schutz der ukrainischen Bevölkerung gegen Luftangriffe".

Der PR-Coup ist gut getimt. In dieser Woche jährt sich der militärische Überfall Russlands auf die Ukraine. Es wird eine wichtige Rede des russischen Präsidenten erwartet, mit Signalen zum weiteren russischen Vorgehen. Die Medien berichten seit Wochen von einer bevorstehenden russischen Offensive.

Zuletzt häuften sich Äußerungen, dass sich die Unterstützer der Ukraine auf einen Abnutzungskrieg einstellen müssen, der länger dauern könnte. Zugleich hieß es Tempo. Entscheidend sei, was in den nächsten sechs Monaten auf dem Feld des Krieges geschehe.

Im Bericht der New York Times zur überraschenden nächtlichen Reise Bidens von Polen nach Kiew findet sich der Satz, dass der US-Präsident Biden "zu einem sowohl innen- als auch außenpolitisch entscheidenden Zeitpunkt des Krieges" dort eintraf.

Einige der treuesten Verbündeten Amerikas haben die Ukraine gedrängt, mit den Verhandlungen über ein Friedensabkommen zu beginnen, das die Aufgabe von Gebieten an Russland beinhalten könnte.

New York Times

Seit einiger Zeit wurden Zweifel an der Unterstützung der USA laut. Man kann sich vorstellen, dass dies auch größere Auswirkungen auf die Unterstützungsbereitschaft der anderen Verbündeten hätte, vor allem dort, wo die Opposition zur militärischen Lösung so deutlich von sich reden macht wie in Deutschland. Nicht nur in den USA muss die Regierung auf innenpolitische Entwicklungen achten.

In den USA machten die Republikaner mit Aussagen auf sich aufmerksam, wonach die Unterstützung für die Ukraine "kein Blankoscheck" sei.

Vorwürfe der USA an China

Zweifel an der unverbrüchlichen Weiterführung der US-Waffen- und Finanzhilfe für die Ukraine wurden auch dadurch bestärkt, dass die Auseinandersetzung zwischen den USA und China stärker in den Fokus rückte.

Nicht nur, dass die Meldungen über chinesische Ballone im Himmel über dem US-Homeland ein erstaunliches Maß an Nervosität offenbarte. Auch Äußerungen des US-Außenministers Blinken an die Adresse Chinas taten das ihre, um Ansichten zu bestätigen, wonach in der Rivalität zwischen den beiden geopolitischen Großmächten das eigentliche Interesse der USA liege – und die Ukraine in diesem Rahmen nicht im Vordergrund stehe.

In seiner Öffentlichkeitsoffensive der letzten Tage bestätigte Blinken jedenfalls, dass die Führung in Washington China stärker ins Visier nimmt. Er warf der Führung in Peking vor, dass sie an der Schwelle zu Waffenlieferungen an Russland stehe und er warnte vor diesem Schritt.

Zwar gab es dazu viele Medienberichte, aber keine validen Informationen darüber, worauf Blinkens Vorwürfe konkret gründen. Exemplarisch dafür steht die BBC-Überschrift: "Blinken says China might give weapons to Russia."

Von chinesischer Seite folgte ein Widerruf. Ist es Zufall oder Absicht, dass die öffentlichen Vorwürfe der US-Regierung zu einem Zeitpunkt erfolgten, als China ankündigte, demnächst einen Vorschlag zu einer friedlichen Lösung im Ukraine-Krieg zu unterbreiten?

Schon jetzt gibt es Beunruhigungen darüber, dass die verstärkte Animosität zwischen den USA und China auch die wirtschaftlichen Beziehungen Europas zum asiatischen Riesen schädigen könnte. Besonders hellhörig für solche Konsequenzen wird man in Deutschland sein.

Anzeichen dafür, dass eine Kursänderung schon im Gange ist, gab es in den letzten Wochen mehrfach.