Bildungspolitik in der Sackgasse
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In Nordrhein-Westfalen ist ein heftiger Streit um das geplante Hochschulzukunftsgesetz entbrannt. Die Hochschulräte sehen den "Schulterschluss mit Industrie und Wirtschaft" gefährdet
Eigentlich will Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) nur alles besser machen als ihr ungeliebter Vorgänger Andreas Pinkwart. Dessen FDP-geeichtes "Hochschulfreiheitsgesetz" sah vor, der unternehmerischen Hochschule den Weg zu ebnen und die Bildungstempel in die Autonomie zu entlassen. Schulze möchte nun ausgerechnet die "Autonomiefalle" umgehen, außerdem verhindern, dass sich die Hochschulen "von ihrem wichtigsten Geldgeber und Förderer entkoppeln" und die Bildungstempel mit dem Prädikat "zukunftsfit" auf eine allemal ungewisse Reise schicken.
Doch wie in der selbsternannten Bildungsrepublik kaum anders zu erwarten, rufen Schulzes Pläne (mindestens) genauso viele Widerständler auf den Plan wie die des unvergessenen Herrn Pinkwart, der sich mit dem Fazit "Es hat Spaß gemacht" nach Leipzig verabschiedete und heute Rektor der privaten Graduate School of Management ist.
Die Reform der Reform
Im November 2013 verabschiedete das Kabinett der nordrhein-westfälischen Landesregierung den Referentenentwurf des Hochschulzukunftsgesetzes, das zum Wintersemester 2014/15 in Kraft treten soll. Wesentliche Bestandteile sind allerdings bereits in einem Eckpunkte-Papier aus dem November 2012 enthalten, das von einem Online-Dialog zur Novelle des Hochschulrechts begleitet wurde.
Schon auf diesen drei Seiten war von einer "verbindlichen, strategischen Planung des Landes" (Landeshochschulentwicklungsplan) die Rede. Vor allem im Bereich der Haushalts- und Wirtschaftsangelegenheiten sowie der Personalverwaltung wollte die Politik über Rahmenvorgaben mehr Einfluss gewinnen. Außerdem sollten die Hochschulen "stärker die berechtigten Interessen ihrer Beschäftigten" nach dem Prinzip "Gute Arbeit" wahrnehmen. Schließlich kündigte Svenja Schulze mehr Transparenz bei den Drittmitteln und eine neue Aufgaben- und Machtverteilung zwischen Senat und Hochschulrat an.
Der nun vorliegende Referentenentwurf umfasst 172 Seiten, auf denen die Ankündigungen detailreich umgesetzt werden. Die von Schulzes Vorgänger, dem Bertelsmann nahen Centrum für Hochschulentwicklung und vielen Vertretern der Wirtschaft favorisierte "unternehmerische Hochschule" hat demnach in Nordrhein-Westfalen keine große Zukunft mehr.
Das Element der demokratischen Mitwirkung wird im Hochschulzukunftsgesetz auf allen Ebenen der Hochschule gestärkt. Die Rolle des Senats als des durch unmittelbare Wahlen demokratisch-korporationsrechtlich am stärksten legitimierten Organs der Hochschule soll seiner herausgehobenen Position entsprechend wieder gestärkt werden. Der Hochschulrat als Beratungs- und Aufsichtsorgan der Hochschule soll im Gegenzug künftig ausschließlich extern besetzt sein.
Referentenentwurf Hochschulzukunftsgesetz
"Rückkehr zur Planwirtschaft"
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz reagierte acht Tage nach der Vorstellung des Entwurfs mit einem offenen Brief, der über Gemeinplätze kaum hinauskam. "Der Referentenentwurf untergräbt die Autonomie der Hochschulen, indem er weit in die Hochschulplanung eingreift", wollte Horst Hippler festgestellt wissen, beließ es aber ansonsten bei einigen halbherzigen Ermahnungen, das Ganze noch einmal zu überdenken.
Wolfgang Löwer, der Landesvorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes, fuhr schwereres Geschütz auf. An Stelle des Freiheitsgesetzes trete "ein bürokratisches Korsett mit engen Vorgaben und kleinteiliger Detailsteuerung", um die Hochschulen "unter ministerielle Kuratel zu stellen". Die Stärkung der Mitbestimmungsrechte reiche "über die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen hinaus".
So wichtig eine demokratische Teilhabe auch bei der Organisation von Hochschulen ist, so sehr verkennt die Landesregierung, dass die Herausforderungen für die nordrhein-westfälischen Hochschulen auf anderem Gebiet liegen.
Wolfgang Löwer, Deutscher Hochschulverband
Nach Angaben des Hochschulverbandes sollen mittlerweile mehr als 800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den offenen Brief des Landesvorsitzenden unterstützt haben. Die Kommentatorin einer Wochenzeitung hatte den Gesetzentwurf schon vier Wochen vorher als "Rückkehr zur Planwirtschaft" charakterisiert, während ein Kollege die rot-grünen Pläne in Nordrhein-Westfalen und der Einfachheit halber auch die grün-roten Vorhaben in Baden-Württemberg mit dem bedeutungsschweren Titel "Sie sagen Zukunft, sie meinen Steuerung" überschrieb. Andernorts wurde sogar gemutmaßt, Politiker wollten sich mit dem neuen Gesetz vor der Aberkennung von Doktortiteln schützen.
An der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf veröffentlichte der AStA eine gemeinsame Erklärung mit Senat, Rektorat und Hochschulrat: das neue Gesetz sei für alle Beteiligten "demotivierend".
Der durch zahlreiche Medienberichte erweckte Eindruck, dass sich auch die Mehrheit der Nachwuchs-Akademiker um die Autonomie ihrer Hochschulen sorgt, trügt allerdings. Viele Studierendenvertreter üben vor allem Kritik, weil ihnen die Gesetzesvorlage nicht weit genug geht.