Billige Soldaten
"Lost Children": Die ehemaligen Kindersoldaten von Uganda
Weltweit kämpfen mehr als 300.000 Kindersoldaten in über vierzig verschiedenen Ländern für Regierungsarmeen und bewaffnete Oppositionsgruppen. Auf der Berlinale erzählten gleich mehrere Dokumentar- und Spielfilme ihre Geschichte. In Lost children begleiten die Filmemacher Ali Samadi Ahadi und Oliver Stoltz ehemalige Kindersoldaten bei ihrer schwierigen Wiedereingliederung in die ugandische Gesellschaft.
Opio ist gerade mal acht. Unbekümmert erzählt der kleine Junge, wie er als Kämpfer der ugandischen Rebellen gezwungen wurde, Menschen zu töten und ihr Hirn zu essen. Auf die entsetzte Frage hin, ob das Gehirn denn vorher gekocht worden sei, lacht er herzhaft. Nein, antwortet er schließlich. Er und die anderen Kinder hätten die Schädel aber sauber ausgeleckt.
Der Dokumentarfilm Lost Children aus der Panorama-Sektion der Berlinale erzählt die Geschichte von Opio und drei weiteren Kindersoldaten im Norden Ugandas. Seit 18 Jahren herrscht dort ein brutaler Bürgerkrieg, den die Rebellen der LordŽs Resistance Army (LRA) vor allem mit Kindern führen. Zehntausende Acht- bis Fünfzehnjährige hat die LRA in den letzten Jahren entführt, um sie als billige und willige Soldaten gegen die ugandischen Regierungstruppen einzusetzen.
Ali Samadi Ahadi und Oliver Stoltz, die als Kinder im Iran bzw. in Namibia selbst Krieg erlebten, haben den Film in einem Auffanglager für geflohene Kindersoldaten in Pajule gedreht, mitten im Kriegsgebiet nahe der sudanesischen Grenze. Einheimische Sozialarbeiter wie der 29-jährige John Bosco und die 23-jährige Grace betreuen die Kinder und versuchen, Kontakt mit den Eltern herzustellen. Die Reintegration in die Familien-Clans gelingt jedoch nur selten. Viele Familien weigern sich aus Angst vor den Rebellen, ihre Söhne und Töchter wieder aufzunehmen.
Andere sehen in ihnen nur noch Killer und Mörder -- oft genug werden die Kindersoldaten von den Rebellenführern gezwungen, die eigenen Leute zu töten.
Lost children nähert sich seinen Protagonisten langsam und ohne Effekthascherei. Ahadi und Stoltz zeigen die 14-jährige Jennifer, den 13-jährigen Kilama, den 12-jährigen Francis und den kleinen Opio im Gespräch mit den Sozialarbeitern, bei Begegnungen mit ihren Familien, beim (für die Kinder spürbar ungewohnten) Spielen und Malen. Bemerkenswert offen erzählen die vier von Tötungen und Vergewaltigungen im Busch, von nächtlichen Alpträumen und sehnsüchtigen Zukunftswünschen. Kilama träumt davon, in einer großen Stadt zu wohnen, wo die Rebellen nicht hinkommen. Mit Frau, Kindern, schönen Kleidern will er dort leben: "Die ganze Familie wird dort willkommen sein."
Die Realität sieht anders aus. Von seiner Familie zurückgewiesen, verbringt Kilama gemeinsam mit 40.000 anderen Kindern seine Nächte auf den Straßen der nächstgrößeren Stadt Gulu. "Im Busch", sagt er, "wurde ich zumindest respektiert." Zum Schluss des Films wird Kilama in ein Waisenhaus aufgenommen, wo er auch zur Schule gehen kann. Da ist er das erste Mal glücklich.
Weitere Informationen zum Thema Kindersoldaten bietet Pajule Aid.