Biohacker zwischen Spaß und Kommerz

Seite 4: Vorerst noch eine Randerscheinung: Selbstoptimierer am Rande des Wahnsinns

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Andere Hacker bringen sich gleich selber zum Leuchten. Wieder andere träumen von einer umfassenderen Kontrolle über ihren eigenen Körper. Dessen Funktionalität kann in vielfältiger Weise aufgebohrt werden, etwa durch das Spendieren einer Nachtsichtfähigkeit.

Das bereits erwähnte Unternehmen Cambrian Genomics ist noch im Zusammenhang mit einem anderen umstrittenen Projekt bekannt geworden: die geplante Herstellung transgener vaginaler Mikroorganismen mit Pfirsichgeruch. Das Credo: Wenn Menschen die Kontrolle über ihre Mikroben einfordern, um sie mit gewünschten Funktionalitäten nachzurüsten, dann sollen sie die im Namen des Schöpfers bitteschön auch haben.

Beobachter sehen angesichts solcher Vorhaben Biosicherheits-Probleme: denn sollte das menschliche Mikrobiom durch gentechnische Eingriffe verändert werden, könnten Gesundheitsrisiken drohen. In Europa tut sich hier eine Gesetzeslücke auf, da weder das Gentechnik- noch das Arzneimittelgesetz eine von einer Person an sich selbst herbeigeführte Genveränderung regeln. Eine Übertragung der manipulierten Mikroben von Mensch zu Mensch ist denkbar und könnte zu ihrer Freisetzung führen. Es ist noch nicht geklärt, bis zu welchem Grade die Modifikation des eigenen Mikrobioms zulässig sein könnte.

Apropos Cambrian Genomics: Ein Vorfall im Umfeld des Unternehmens wirft ein Schlaglicht auf eine wenig erörterte Facette der Branche. Die Avantgarde der Biotech-Start-ups steht unter einem hohen Druck, dem nicht alle Beteiligten gewachsen sind. Austen Heinz, Gründer von Cambrian Genomics, beging 2015 im Alter von 31 Jahren Selbstmord. Bekannte gaben an, dass der auf ihm lastende Druck die Anlagen zur Depression verstärkt hätte. Doch Depressionen unter Jungunternehmern sind kein Gesprächsthema im Silicon Valley - psychische Störungen bei Existenzgründern könnten umworbene Investoren und Angestellte gleichermassen abschrecken.

Im nicht fest umrissenen Biohack-Universum bleibt genügend Platz für Unternehmer, die als Selbstoptimierer mit einer gehörigen Portion Sendungsbewusstsein auftreten. Wie zum Beispiel Dave Asprey, Gründer und CEO von Bulletproof, der ein bekennender Hacker seiner eigenen Biologie ist. Zwei Jahrzehnte und 300.000 US-Dollar später hat Dave 100 Pfund abgenommen, ohne dabei auf die Kalorien zu achten oder übermäßig Leibesübungen zur Körperertüchtigung abzuhalten. Er hat sein Gehirn geupdated und seinen IQ um 20 Punkte angehoben, er schläft effizienter, und er hat sein biologisches Alter abgesenkt. All das hat ihn in einen besseren Ehemann und Vater verwandelt - und in einen noch besseren Geschäftsmann, der es versteht, vollentsalztes Wasser zum Literpreis von 6 US-Dollar zu verkaufen.

Zugegebenermaßen handelt es sich auch um kein normales demineralisiertes Wasser, sondern um Fatwater. Fettwasser ist angereichert mit Vitamin B und Brain Octane-Mikrotröpfchen. Der aus Kokosöl gewonnene Gehirntreibstoff soll anstelle des fehlenden Zuckers schnelle Energie liefern. Das Wasser hat alles, was ein modernes Getränk auszeichnet: es ist zucker, gluten- und GMO-frei, vegan und steinzeitkonform.

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