Bisher kein Klimaschutz: Kommt die Energiewende im Jahr 2023?

Seite 2: Geht Scholz als großer Klimazerstörer in die Geschichte ein?

So gut nun viele beschlossenen Änderungen im EEG und anderen Gesetzen sind, so wenig werden sie aber die notwendige, starke Beschleunigung bewirken, die der Klimaschutz tatsächlich braucht. Schon das für den Klimaschutz völlig unzulängliche Ziel der Ampelkoalition von 80 Prozent Ökostrom bis 2030 ist damit nicht erreichbar, geschweige denn das aus Klimaschutzgründen notwendige Ziel von 100 Prozent Erneuerbare Energien in allen Energiesektoren bis 2030.

Um das zu erreichen, braucht es jetzt große Gesetzesänderungen und kein weiteres Herumdoktern an den unter den Merkel-Regierungen geschaffenen Behinderungsstrukturen.

Ein großer Teil der Dezember-Änderungen liegen innerhalb des komplett verfehlten Ausschreibungssystems. So werden in diesem System Flächenkulissen erweitert, Ausschreibungsvolumina erhöht, Befreiungskriterien für Bürgerenergien formuliert. Alles nur wieder neue Vorschriften, neue hemmende Bürokratie.

Auch die viel gelobte Erhöhung der Höchstwerte für Vergütungen in den Ausschreibungen sind in Wirklichkeit ein Offenbarungseid. Die Einführung der Ausschreibungen unter Abschaffung der gesetzlich garantierten, festen Einspeisevergütung wurden ja vor allem damit begründet, dass der Wettbewerb innerhalb der Ausschreibungen zu einer schnellen Kostensenkung führen soll. Das Gegenteil ist der Fall: eine deutliche Anhebung der Höchstwerte der Vergütungen, während gleichzeitig gerade die letzten Ausschreibungen massiv unterzeichnet sind.

Ein deutlicheres Zeugnis für das komplette Versagen des Systems der Ausschreibungen kann es nicht geben. Daher müssen die Ausschreibungen – zugunsten einer modernen festen Einspeisevergütung – endlich wieder abgeschafft werden. Damit das EU-rechtlich durchsetzbar wird, braucht es eine EEG-Umlage II, aus der alle neuen Anlagen vergütet und wieder von den Stromkunden bezahlt werden soll.

Dies wäre einer der ganz wichtigen Gesetzesänderungen.

Doch selbst die Verbände der Erneuerbaren Energien halten blind an den Ausschreibungen fest. Sie fordern nur innerhalb der Ausschreibungen Verbesserungen, was, wie man deutlich sieht, nicht funktionieren kann.

Ich erinnere gerne daran, dass wir Abgeordnete unter Rot-Grün im Jahre 2000 auch nicht am alten – weitgehend unwirksamen – Stromeinspeisegesetz aus der Ära von Kanzler Kohl herumgedoktert haben. Wir haben das Stromeinspeisegesetz abgeschafft und mit dem EEG ein neues Gesetz geschaffen.

Genau diesen Mut des Parlamentes braucht es auch heute für neue, große gesetzliche Initiativen:

  • Abschaffen der Ausschreibungen,
  • Einführung einer Kombikraftwerksvergütung,
  • Erlaubnis eines unbürokratischen und abgabefreien Energysharings nach der EU-Richtlinie RED II;
  • neues Strommarktdesign – am besten mit einer eigenen Grünstrombörse – sowie
  • Einführung des Klimaschutzes als kommunale Pflichtaufgabe.

Und es braucht auch eine Start-Up-Offensive für alle vielversprechenden Innovationen im Klimaschutzsektor, sowie eine industrielle Offensive für den Bau von Fabriken in den Technologiebereichen: Solar, Windanlagen, Speicher, Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, Wärmepumpen, dezentraler grüner Wasserstoff aus Elektrolyse und Algen, elektrische Antriebe, auch bei Bussen, LKW, Landmaschinen, Baumaschinen u.v.a.m.

Hier zeigt die Ampelkoalition noch große Schwächen, die sie beim Ausbau der LNG-Terminals oder Verträgen für den Import von blauem (also höchst klimaschädlichen) Wasserstoff eben nicht zeigt.

Unter dem Strich muss man daher leider feststellen, dass die Ampelkoalition bisher in der Verfestigung der klimaschädlichen Erdgas- und Kohleenergie mehr geschaffen hat, als beim beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Das Verfehlen der schon vollkommen unzulänglichen nationalen Klimaziele auch im Jahre 2022 ist bezeichnend.

Damit ist auch die Ampelkoalition nicht auf dem Boden der Verfassung, denn die Verfassungsrichter stellen ja längst fest, dass der Klimaschutz Verfassungsrang hat und die Klimaschutzmaßnahmen erheblich angeschärft werden müssen.

Das genau muss sich in diesem Jahr 2023 ändern, ansonsten geht auch die Ampelkoalition unter Kanzler Olaf Scholz in die Geschichte als die großen Klimazerstörer ein, ähnlich wie die Regierungen unter den Kanzler:innen Angela Merkel und Helmut Kohl.

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien.

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