BlackRock & Co. enteignen!

Seite 3: Neuen Phase des Kapitalismus, der nichts "Bürgerliches" mehr enthält

Das schöne E-Wort hat ja auf jeden Fall einen aufklärerischen Effekt und stellt die bürgerlich-kapitalistische Eigentumsordnung infrage. Sehen Sie neben dieser ideologischen Wirkung auch reale Chancen, und wer wären die Akteure, denen es gelingen könnte, eine Enteignung durchzusetzen?

Werner Rügemer: Wir sind in einer neuen Phase des Kapitalismus, der nichts "Bürgerliches" mehr enthält, soweit das Bürgerliche mal emanzipativ war, gegenüber dem christlich lackierten, feudalen Ausbeutungsregime bis zur Französischen Revolution.

Heute ist es so: Die eigentlichen "wirtschaftlich Berechtigten", die eigentlichen Eigentümer, die Kapitalisten, die von BlackRock & Co. vertreten werden, sind anonymisiert, gesichts- und verantwortungslos. Diese neuen Gesetzlosen halten sich nicht an nationale Gesetze, halten sich nicht an Menschenrechte und an das Völkerrecht.

Sie schädigen die große Mehrheit der Beschäftigten, vermehren auch in den allerreichsten Staaten die Arbeits- und Rentenarmut, verarmen und entmächtigen die Staaten, brechen den Frieden (oder profitieren klammheimlich von dieser Brechung, die von trumpelnden oder auch freundlich grinsenden US-Präsidenten angeführt wird), sie zerstören die Umwelt, lösen menschliche Gemeinschaften auf.

Deshalb sind wir in einer Phase, in der nur noch Enteignung hilft, mit Überführung der formal sinnvollen Teile in öffentliches, mitbestimmtes Eigentum.

Eine reale Chance, dies auf breiter Ebene durchzusetzen, gibt es gegenwärtig mit den christlich und sozialdemokratisch und liberal und auch grün lackierten Parteien und den mit ihnen vernetzten Leitmedien nicht. Umso wichtiger sind die gegenwärtig so unterschiedlichen und noch getrennten Initiativen und Proteste: Die Eisenbahner in Frankreich, die gegen die private BlackRock-Rente des Banker-Präsidenten Macron kämpfen; BlackRocksBigProblem in den USA; Aktivisten gegen die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes durch die Agrobusiness-Konzerne; die zwischen Polen und den USA internationalistisch vernetzten Beschäftigten bei Amazon und viele andere, von denen der deutsche Fernsehglotzer und die deutsche Fernsehglotzerin nichts erfährt.

Die Mehrheit in der UNO, die noch von den USA und den führenden EU-Staaten wie Deutschland behindert wird, steht ebenfalls tendenziell gegen BlackRock & Co. Unter menschen- und völkerrechtlicher Orientierung steht eine neue internationalistische Vernetzung und Kooperation an. Solche Veröffentlichungen wie von mir und Ähnliche erscheinen inzwischen auf allen Kontinenten (Ausnahme: Australien, Arktis und Antarktis).

Noch eine persönliche Frage zum Schluss: Sie sind vor kurzem 80 geworden, schreiben ein Buch nach dem andern – im letzten Jahr "Imperium EU: ArbeitsUnrecht, Krise, neue Gegenwehr", davor das Buch "Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts", jetzt "BlackRock & Co enteignen!". Sie fahren herum und halten Vorträge - wie schaffen Sie es, sich von diesen schweren Themen nicht deprimieren zu lassen? Woher nehmen Sie all die Energie?

Werner Rügemer: In aller Demut bin ich mir bewusst, dass ich global zu der winzigen Minderheit gehöre, die zwar mit bescheidenen, aber relativ sicheren äußeren Verhältnissen und mit einer nur zipperleinsmäßig angekratzen Gesundheit dieses Alter erreicht hat. Das empfinde ich als Verpflichtung.

Zum einen hält mich die Zustimmung und Unterstützung aufrecht, die ich erfahre. Zum anderen befallen mich doch immer wieder Depressionen, das ist wohl unvermeidlich, wenn man ehrlich ist. Das geht auch anderen Aktivisten so, auch solchen, die länger zum Beispiel bei Fridays for Future mitmachen.

Viele Gewerkschafter, die noch kämpfen oder eigentlich kämpfen wollen, sind deprimiert, und Depressionen sind heute in diesem Amazon-Kapitalismus eine sehr verbreitete Berufskrankheit.

Eine große Freude ist allerdings mein fünfjähriger Enkel, den ich mehrere Male in der Woche von der Kita abhole. Mit ihm entdecke ich Blumen und Käfer am Wegesrand und auch die Welt neu. Kürzlich fragte er mich, als wir auf einer Parkbank unter hohen Platanen saßen: Opa, warum wachsen die Bäume nicht immer weiter bis in den Himmel? Oder dann diese Frage, während er sich an meine Seite lehnte und an dem Brötchen knabberte, das ihm die Oma gemacht und das ich ihm mitgebracht hatte: Opa, wie lange dauert die Ewigkeit?

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