Blasen, Trolle, schlechtes Wetter - zum Bildprogramm der vernetzten Welt

Seite 3: Schäume, Organe, Körper

Besonders mit Blick auf die soziale Welt kommt die dichotome Metaphorik aus weiten Fließgewässern und abgeriegelten Kleinräumen an die Grenzen ihrer Tauglichkeit. Sie bietet keine Alternativen für erstrebenswerte, nicht einmal für realistische Zustände. Dabei läuft das Denken Gefahr, sich in den Konsequenzen jener Bildlogiken zu verfangen und zu übersehen, dass die möglichen Betrachtungsweisen und damit auch unsere Einstellung zu den Dingen stets durch die eingesetzten Metaphern voreingestellt sind.

Ein angemessenes Bildprogramm müsste vielmehr zwischen den Extremen der Stillstellung und der entgrenzten Bewegung angesiedelt sein. Bei allen "Fragmentierungen" und "Spaltungen", die heutige Bevölkerungen aufweisen, müsste es zugleich den Durchlässigkeiten und Verbindungen Rechnungen tragen, die es noch erlaubten, von einem Gemeinwesen zu sprechen.

Um unsere Lebenswirklichkeit bildlich einzufangen, könnten auch "Schäume" ins Spiel gebracht werden. Als Metapher haben diese Gebilde aus Mikro-Räumen hierbei ihren Reiz, weil sie trotz der Separierung ihrer Elemente noch Eigenschaften wie Konnektivität und Austauschfähigkeit implizieren. Zugleich können sie aber auch als Fortführung jener relativistischen Isolation gedeutet werden, die die einzelnen Sektionen füreinander unerreichbar werden lässt.

Wer hier weiter nach passenden Bildern suchen möchte, könnte im Bereich organologischer Bio-Metaphern fündig werden. Ein aus "Membranen", "Kreisläufen" und "Organen" bestehender "sozialer Körper" gibt eine Vorstellung von einem Gefüge, dessen Teile verbunden bleiben und sogar funktional aufeinander bezogen sind.

Die soziologische Metaphernkritik - namentlich Thomas Lemke in seinen Überlegungen zur Bedeutung von Metaphern in der soziologischen Theorie - hat am Bild des sozialen Organismus wiederum wenig Gefallen gefunden und bemängelt, dass die Offenheit und prinzipielle Unbestimmtheit des Sozialen zugunsten einer Vorstellung von einheitlicher Totalität in den Hintergrund träten. Zudem stehe ein solcher "Körper" für ein hierarchisches Gesellschaftsmodell mit asymmetrischen Partizipationschancen, das auch die Konflikthaftigkeit der sozialen Welt weitestgehend unberücksichtigt lasse.

Eine bleibende Herausforderung

Man könnte weiter durch diese Imaginationswelten ziehen, ohne je ein letztes, kritiklos annehmbares Bild zu finden - wofür auch immer. Zugleich bleiben wir auf diese provisorischen Verweisungssysteme angewiesen, weil sie uns ein Orientierungswissen bieten für "fremde, unzugängliche, überkomplexe oder anderweitig der Evidenz entzogene Sachverhalte", wie Ralf Konersmann im Wörterbuch der philosophischen Metaphern angemerkt hat.

Unentbehrlich, defizitär, folgenreich, so ließe sich vorsichtig resümieren. Metaphern der Selbstverständlichkeit entziehen, um Voraussetzungen und Konsequenzen ihrer Gebrauchsweisen bewusst zu machen, kann zu den Bemühungen um den Erhalt einer "aufgeklärten" Kultur beitragen, deren Erosion zunehmend beklagt wird.

Außerdem könnte es hilfreich sein, eine in Verbindung mit dem Unternehmen "Aufklärung" irreführende Zeitform zu vermeiden und sich damit vor der selbstgefälligen Illusion eines irgendwie vollendungsfähigen oder schon finalisierten Gemeinwesens zu bewahren. Statt im Perfekt von einer "aufgeklärten" Gesellschaft zu sprechen, wäre es angemessener, die Sache in der laufenden Gegenwart zu halten und damit hervorzuheben, dass eine (sich) "aufklärende" oder "in Aufklärung befindliche" Lebensform eine fortdauernde Anstrengung zu vollbringen hat, ohne Aussicht auf endgültige Einfahrt in sichere Häfen.

Der Fortgang dieses Unterfangens wird nicht geringen Einfluss darauf haben, ob es Dialoge sind, die als Mittel im zukünftigen Differenz- und Konfliktmanagement vorwiegend zum Einsatz kommen werden.