Blauer Albtraum in Österreich

Heinz-Christian Strache während einer Demonstration gegen den Ausbau eines islamischen Kulturzentrums in Wien. Bild: Manfred Werner, Public Domain

Ein Kommentar zum FPÖ-Erfolg von einem muslimischen Österreicher

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Schon im Vorfeld der Präsidentschaftswahl hatte man erwartet, dass die beiden Regierungsparteien - Konservative und Sozialdemokraten - eine heftige Schlappe erleiden würden. So kam es dann auch: Die Gewinnerin der Wahl war die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), eine Partei, die man mit gutem Recht nicht nur als rechtspopulistisch, sondern als rechtsextrem bezeichnen kann und soll.

Mehr als 31 Prozent der Wähler stellten sich hinter Norbert Hofer, den Kandidaten der "Blauen". All diese Menschen haben sich damit für eine Partei entschieden, die seit Jahrzehnten nichts Weiteres tut, als zu polarisieren. Diese Polarisierung fand immer wieder auf eine Art und Weise statt, die man nur als ekelerregend bezeichnen kann. Wer die Aktionen der FPÖ in den letzten Jahren beobachtet hat, kann dies nur bestätigen.

Angefangen mit den Worten einer Susanne Winter, einer vor Kurzem ausgeschlossenen FPÖ-Politikerin, die einst vor versammelter Runde den islamischen Propheten Mohammad als "Kinderschänder" bezeichnete, bis hin zu den rechtsradikalen und menschenverachtenden Kommentaren, die man immer wieder auf der Facebook-Seite des Parteichefs Heinz-Christian Strache finden kann.

Besonders gewidmet hat sich die FPÖ dem Thema Islam und Migration. "Daham statt Islam" gehörte wohl zu den bekanntesten Wahlsprüchen der Partei. Das Gefühl, das man hat, wenn man als muslimischer Österreicher an einem solchen Plakat vorbeigeht, wünsche ich niemandem. Immerhin steht da - groß, dick und fett geschrieben - dass man in dem Land, in dem man geboren und aufgewachsen ist, aufgrund seines Glaubens nicht erwünscht ist.

Genau dieses Gefühl vermittelt die FPÖ schon seit Jahren. Es ist sogar präsenter, als es zu Lebzeiten des "legendären" Jörg Haider, der einst die FPÖ zum Erfolg führte, war. Haider, ein Mann, der die Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches als "ordentlich" empfand, erlangte durch seinen Fremdenhass, hauptsächlich bestehend aus muslim- und judenfeindlichen Aussagen, weltweite Berühmtheit. Doch egal, wie sehr Haider seinen Hass säte, er wurde immer erfolgreicher. Dies führte letztendlich zu einem massiven Wahlerfolg der FPÖ bei den Nationalratswahlen 1999. Im darauffolgenden Jahr kam die erste schwarz-blaue Regierung des Landes zustande, was international für Furore sorgte.

Eine Partei, die gegen dich ist, weil du bist, was du bist

Furore ist wohl auch das Wort, welches die Atmosphäre der letzten Tage gut beschreibt. Für mich persönlich ist sie jedoch nur ein neuer Höhepunkt. Als Person mit nicht-österreichischen Wurzeln fühlt man schon seit Jahren, dass es da eine Partei gibt, die dich nicht mag, die nur gegen dich ist, weil du das bist, was du bist. Diese Haltung spürt man oft. Zum Beispiel am FPÖ-Wahlstand vor dem Schuleingang, bei dem jeder eine kleine Geschenktüte erhält, außer das Mädchen mit dem Kopftuch, das dunkelhäutige Kleinkind oder der Junge mit den schwarzen Haaren. Der Junge mit den schwarzen Haaren war meistens ich.

Heinz-Christian Strache während einer Demonstration gegen den Ausbau eines islamischen Kulturzentrums in Wien. Bild: Manfred Werner, Public Domain

Ähnliches widerfährt einem auch des Öfteren auf FPÖ-Wahlveranstaltungen, bei denen etwa Heinz-Christian Strache eine seiner Reden, manchmal auch mit einem Kruzifix in der Hand, schwingt. Da wird dann plötzlich ein öffentlicher Platz mitten in der Stadt abgesichert. Polizisten sichern alles ab. Rein dürfen nur Personen, die beweisen können, dass sie FPÖ-Mitglieder oder Sympathisanten sind. Alle anderen - vor allem das "linkslinke Gesindel", von dem Strache oft spricht - müssen draußen bleiben.

Abwertende Blicke der Polizisten bleiben einem oftmals nicht erspart. Einmal fragte ich einen hämisch grinsenden Beamten, ob er mit dem einverstanden sei, was Strache so von sich gibt. Ein "Schleich' di" war das Einzige, was ich ihm entlocken konnte. In Österreich, so munkelt man, sind die Uniformen der Polizei nicht umsonst blau.

Das Heftigste, was die FPÖ in Innsbruck, meinem Geburtsort, veranstaltet hat, war eine Aktion, die selbst in Marokko für Empörung sorgte. Während des Wahlkampfes zu den Tiroler Landtagswahlen im Jahr 2012 machte die Partei mit einem Plakat mit der Aufschrift "Heimatliebe statt Marokkanerdiebe" auf sich aufmerksam. Damit wollte die Partei auf die nordafrikanische Drogenszene in Innsbruck, die hauptsächlich aus marokkanischen und tunesischen Asylbewerbern besteht, aufmerksam machen. Die Aktion wurde seitens anderer Parteien scharf kritisiert. Abgesehen davon, dass man der FPÖ (ein weiteres Mal) Volksverhetzung vorwarf, fragte man sich, was denn ein "Marokkanerdieb" überhaupt sei. Etwa jemand, der Marokkaner stiehlt? Die Antwort ist die FPÖ bis heute noch schuldig.

Der damalige Innsbrucker Spitzenkandidat der Partei, der Hotelier August Penz, verlor damals nicht nur die Wahlen haushoch, sondern wurde auch wegen Verhetzung angeklagt. In einem späteren Interview betonte Penz, der mittlerweile aus der Partei ausgetreten war, dass man innerhalb der FPÖ vor allem beim "Ausländerthema" keine anderen Meinungen dulde.

Versagen der Regierungsparteien

Nun steht Österreich kurz davor, einen Mann aus einer solchen Partei als Bundespräsidenten zu küren. Es ist nicht zu leugnen, dass die Regierungsparteien in Österreich in den letzten Jahren auf ganzer Linie versagt haben. Zum gleichen Zeitpunkt existiert auch keine wahre, linke Alternative im Land. Die österreichischen Grünen, seit Jahrzehnten Auffangbecken jeglicher Linksgesinnten im Land, erscheinen manchmal hoffnungsloser denn je.

Abgesehen davon herrscht im linksintellektuellen Milieu des Landes teils eine Arroganz, vor allem gegenüber den Wählern der FPÖ, die man nur als kontraproduktiv bezeichnen kann. Schon im Gymnasium meinte unsere Geschichtslehrerin, dass nur "dumme Menschen" die FPÖ wählen würden, während intelligente hingegen sich für Grün entscheiden. Abgesehen davon, dass es meines Erachtens nach problematisch ist, eine Volksmasse per se als dumm zu betiteln, steht es außer Frage, dass das jüngste Ergebnis sich nicht nur mit der Dummheit des Wählers begründen lässt. Das wäre schlichtweg zu einfach.

Stattdessen sollte man sich die Fragen stellen, warum so viele Menschen, vor allem viele, die links und liberal eingestellt sind, am Wahltag den Wahllokalen weiterhin fern bleiben, während rechte Parteien wie die FPÖ ihre Wählerschaft effektiv mobilisieren können. Diese Behauptung ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern wurde dank mehrerer Studien - nicht nur Österreich betreffend, sondern auch die Schweiz - auf bittere Art und Weise deutlich.

Warum man sich dennoch für eine populistische Hasspartei entscheidet, ist für mich persönlich nicht nachvollziehbar. Parteien versagen. Viele Politiker vertreten schon längst nicht mehr die Interessen der Bürger. Doch muss man deshalb trotzdem gleiche für jene seine Stimme abgeben, die nur Hass und Menschenfeindlichkeit vertreten?