Bleib auf dem Perserteppich!
Wer reich ist, darf dumm sein; wer arm ist, muss dagegen klug sein
Das Leben ist kein Wunschkonzert, das Leben der Wissenschafts-Afficionados ist eher ein Konzert von Studien, alle mehr oder weniger misstönend, manche eingängig, andere schrill; viele passen nicht zusammen, so dass von einem harmonischen Gesamtkunstwerk nicht die Rede sein kann. Aber sie dudeln unbeirrt vor sich hin und jeden Moment kommt eine neue Meldung oder Melodie, ganz nach dem Motto, "was interessiert mich der Scheiß, den andere gestern gespielt haben".
Eine neue Stimme im Konzert, das Instrument: der Dudelsack vielleicht, denn die Virtuosen sind aus Schottland. Die Partitur steht in der Septemberausgabe der Zeitschrift Psychosomatic Medicine. Wir hören:
Die starke Wechselwirkung von IQ und Entbehrung lässt darauf schließen, dass für die Sterblichkeit von Menschen, die als Erwachsene in einer privilegierten Gegend leben, die Intelligenz, welche sie als Kind hatten, eine weniger große Rolle spielt als für jene, die ihr Leben in einem entbehrungsreichen Umfeld verbringen
Carole L. Hart
Zu deutsch: Menschen mit einem hohen Intelligenzkoeffizienten haben in Armutsvierteln eine höhere Lebenserwartung als Menschen mit einem niedrigen IQ. In den Reichenvierteln wirkt sich die Intelligenz nicht auf die Lebenserwartung aus. - Im Dschungel musst du schlau sein, wenn du lange leben willst, auf dem Perserteppich schaffen es auch die Dümmsten.
Die Studie orientiert sich an Intelligenztests, die 1932 mit 87,498 schottischen Schulkindern gemacht wurden. Etwa 1000 von ihnen wurden dann über einen Zeitraum von 70 Jahren beobachtet. Dabei half die Überschneidung mit einer Midspan-Studie aus den 1960er und 1970er Jahren, die Daten bezüglich Adresse, Alter, Beruf und Gesundheit von 24 000 Menschen in den mittleren Jahren gesammelt hatte. Nun wurden über Jahre Krankheitsfälle und Krankenhausaufenthalte registriert. Nach 25 Jahren waren 51 Prozent der Männer und 38 Prozent der Frauen gestorben. Jeweils 15 Prozent weniger (in der Kindheit getestete) Intelligenz erhöhte laut Auswertung die Wahrscheinlichkeit des Todes um 17 Prozent. Bei Feinabstimmung und Gegencheck mit den sozioökonomischen Lebensbedingungen ergab sich dann der Zusammenhang dieses Ergebnisses mit den Lebensverhältnissen.
Dem Reich der Interpretationen sind, wie so oft, keine Grenzen gesteckt: Ein niedriger Intelligenzquotient könnte zu einem unterprivilegierten Leben führen und das wiederum zu einem frühen Tod. Es könnten auch unterprivilegierte Lebensumstände zu einem niedrigen IQ als Kind führen und das wiederum zu einem frühen Tod. Umgekehrt könnte das heißen: Kluge stopfen sich nicht mit billigen Fritten voll und joggen auch mal durchs (Armuts)-Viertel. Es ist beruhigend, dass es in unserer Gesellschaft immer mehr Reiche gibt, die nicht besonders schlau sind (vgl. Effenbergs Lieblingslektüre: Hitlers Tagebuch) - denn sollen nicht gerechtigkeitshalber die Dummen reich sein, wenn die Klugen ja auch ohne Geld lange leben können?