Blockwart, bitte melden!

Neues von der amerikanischen Heimatfront

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Schon seit einigen Jahren gibt es in den USA die Initiative neighbourhood watch. Von der Regierung gefördert sollen Bürgerinitiativen ein Auge auf die Nachbarschaft haben und so kriminelle Machenschaften frühzeitig erkennen. Jetzt soll das Programm auf die Terroristenjagd ausgedehnt werden.

"Liebe Mitamerikaner,

am Morgen des 11. September 2001 wurde Amerika zugleich mit einer unbeschreiblichen Tragödie und mit einer außergewöhnlichen Herausforderung konfrontiert. Überall bündelten Amerikaner ihre Kräfte und begegneten dieser Herausforderung. Und immer wenn Bürger ihr Blut, ihre Zeit oder ihr Geld gaben, schickten sie eine Botschaft an die Feiglinge, die diese abscheulichen Taten begangen hatten, dass der Amerikanische Geist stark und unerschütterlich bestehen bleibt."

Homeland Security

Mit dieser Umdeutung eines Krieges zu einer spontanen Selbsthilfeaktion des amerikanischen Volkes leitet US-Justizminister John Ashcroft die neue Waffe gegen den Terrorismus ein. Der Citizens' Preparedness Guide ist ein Leitfaden der US-Regierung für alle Bürger, wie sie sich an der Heimatfront zu verhalten haben.

Schlagwort ist der Begriff "Homeland Security". In der 30seitigen Broschüre erfährt der besorgte US-Bürger viele nützliche Dinge. So zum Beispiel, dass in seinem Notvorrat immer ausreichend Toilettenpapier enthalten sein soll, dass die Kinder ihre eigene Adresse auswendig können sollen und dass eine Liste mit Notfallnummern immer griffbereit sein sollte. Amerikaner sollten sich im Ausland unauffällig kleiden, sich von Demonstrationen und sonstigen Zusammenrottungen fernhalten und früh genug zum Flughafen kommen, um die Sicherheitsprüfungen ohne Hast hinter sich bringen zu können.

Darüber ist jeder aufgefordert, seine Nachbarschaft überwachen. Wenn jemand auf dem Parkplatz herumlungert, verdächtige Post eintrifft oder sich irgendjemand irgendwie verdächtig verhält - ein Anruf bei den Gesetzeshütern scheint immer das Richtige zu sein.

Erosion der Bürgerrechte?

Kernstück der Initiative sind "Neighborhood-Watch"-Programme, die schon überall in den USA existieren und die eigentlich dafür gedacht sind, Räubern und Einbrechern das Leben schwer zu machen. Jetzt sollen diese Organisationen auch Terroristen jagen. Mit Unterstützung des Staates soll die Anzahl der Selbstschutzvereine auf 15.000 verdoppelt werden.

Bürgerrechtler sind nicht so begeistert von der Ausweitung des Auftrags. Viele würden "verdächtig" für sich mit "arabisch" übersetzen und so würde eine öffentliche Jagd auf arabischstämmige Bürger beginnen. So weiß das American Arab Anti-Discrimination Committee von vielen Drohungen und Gewalttaten gegenüber arabischstämmigen Bürgern zu berichten.

Die Organisation American Civil Liberties Union sieht in dem Programm eine weitere Erosion der Bürgerrechte. Es werden Vergleiche mit der McCarthy-Ära gezogen.

"Indem man Nachbarschaftsinitiativen beauftragt, Leute zu melden, die unbekannt sind oder die sich verdächtig oder auf irgendeine Weise nicht normal verhalten, erweckt unsere Regierung unnötig Ängste und feuert die bereits grassierende ethnische und religiöse Hexenjagd an", kritisiert die ACLU-Vorsitzende Nadine Strossen.

Wegen seiner Verdienste um die Bürgerwehren wurde Ashcroft eine besondere Ehrung zuteil. Nach einer Ansprache in einer High School wurde er zum Block Captain ehrenhalber ernannt. Nur Schelme werden diesen Titel mit "Blockwart" übersetzen.