Bolivien: Verfassungsumgehende vierte Amtszeit für Morales?
Ein MAS-Parteitag kürt den Staatspräsidenten erneut zum Kandidaten, obwohl das Volk im Februar eine Verfassungsänderung ablehnte
Am 21. Februar lehnten die Bolivianer in einer Volksabstimmung mit 51,3 zu 48,7 Prozent eine von der Staatsführung eingebrachte Verfassungsänderung ab, die vorsah, dass ein Präsident mehr als zwei Amtszeiten hintereinander amtieren darf. Nun beschlossen die Delegierten der Regierungspartei Movimiento al Socialismo (MAS) auf ihrem Regierungsparteitag bei der nächsten Wahl erneut den amtierenden Staatspräsident Evo Morales als Kandidaten ins Rennen zu schicken, obwohl dieser bereits seine dritte Amtszeit absolviert. Die billigte man ihm mit dem Argument zu, seine erste Amtszeit zähle nicht zu den zwei erlaubten, weil 2009 die Verfassung geändert wurde.
Der Zeitung El Deber nach hat die MAS noch nicht entschieden, auf welche Weise sie die vierte Amtszeit rechtfertigen will: Im Gespräch sind angeblich eine weitere Volksabstimmung und ein Pro-Forma-Rücktritt kurz vor der nächsten Wahl, der dazu führen soll, dass die Amtszeitenzählung wieder neu beginnt.
Anders als Nicolás Maduro in Venezuela hat Morales trotz der abgelehnten Verfassungsänderung gute Chancen, die nächste Wahl zu gewinnen, weil die Wirtschaft in Bolivien in den letzten Jahren um durchschnittlich fünf Prozent wuchs. Im zu Ende gehenden Jahr 2016 hatte er allerdings mit einer zunehmenden Unzufriedenheit der Tieflandindianer (die sich gegenüber den Hochlandindianern benachteiligt fühlen), gewalttätigen Bergarbeiterstreiks und einer Wasserknappheit zu kämpfen. Davon ablenken könnte eine gegen den "Erbfeind" Chile eingelegte Klage beim Internationale Gerichtshof in Den Haag um einen 1879 verlorenen Zugang zum Meer.
Deutsche mehrheitlich für Amtszeitbegrenzung der Bundeskanzler
Morales amtiert seit 22. Januar 2006 - also etwas weniger lang als Angela Merkel, die am 22. November 2005 erstmals als deutsche Bundeskanzlerin vereidigt wurde. Auch Merkel will bei der nächsten Wahl noch einmal antreten, obwohl sich in einer Umfrage unlängst 60 Prozent der Deutschen dafür aussprachen, dass die Amtszeiten von Bundeskanzlern begrenzt werden.
Solch eine Begrenzung gibt es nicht nur in Bolivien, sondern beispielsweise auch in den USA, wo man sie einführte, nachdem drei aufeinanderfolgende Amtszeiten von Franklin Delano Roosevelt trotz dessen politischen Erfolgen zu Unbehagen in beiden großen Parteien führten. Russland orientierte sich in seiner nachsowjetischen Verfassung an diesem Beispiel, führte aber 2008 und 2012 vor, wie sich die Beschränkung elegant umgehen lässt: Nachdem Dmitri Medwedew eine Zwischenamtszeit lang interimsamtierte ließ sich der vorher bereits zwei Mal amtierende Vladimir Putin erneut wählen.
Keine Amtszeitenbegrenzungen in vielen Drittweltländern
Frankreich führte 2002 eine Amtszeitenbegrenzung ein. Seitdem darf auch dort ein Staatspräsident nur höchstens zwei Mal aufeinanderfolgend wiedergewählt werden. Der amtierende französische Präsident François Hollande tritt allerdings schon nach einer Amtszeit nicht mehr an, weil er wegen seiner Unbeliebtheit gegen den Republikaner François Fillon und die Front-National-Kandidatin Marine Le Pen völlig chancenlos wäre.
Keine Amtszeitenbegrenzungen gibt es dagegen in vielen Drittweltländern, wo sich autokratische Herrscher oft noch deutlich länger an der Macht halten als Merkel oder Morales. Ein Beispiel dafür ist der seit 1994 amtierende gambische Staatspräsident Yahya Jammeh (vgl. Automatische Kritikbremse), der eine Anfang dieses Monats erlittene Wahlniederlage wegen angeblicher "Fehler" nicht akzeptieren will.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.