Boris Johnson: Die Show ist vorbei

Seite 2: Glücksfälle pflasterten seinen Weg

Neben der tiefenpsychologischen Erwägung gibt es noch eine simplere. Johnson hatte im Laufe seiner Karriere ziemlich viel Glück.

Boris Johnson hat drei entscheidende Wahlen in seinem Leben gewonnen. Zwei Mal die Wahl zum Londoner Bürgermeister gegen Ken Livingstone und einmal die Unterhauswahlen gegen Jeremy Corbyn. Das sind drei Siege gegen Kandidaten vom "linken Rand" des britischen Parteienspektrums.

Hier boten Johnson die englische Presselandschaft und die in weiten Teilen erzkonservative Öffentlichkeit mächtigen Rückenwind. Viele Konservative wählten Johnson sicherlich mit zugehaltener Nase und übergelaufene Labour-Anhänger schlicht aus Enttäuschung über die eigene Partei.

Johnsons Popularitätswerte lagen bei der Wahl 2019 bei minus 20 Prozent, die ungeliebte Theresa May kam gerade mal auf zarte minus sieben. Diese Werte wurde bei weitem in den Schatten gestellt von dem knotigen "Kommunisten" Corbyn, der teils durch öffentliche Verleumdungen, teils durch seine eigene Verbohrtheit, es auf den atemberauben Popularitätswert von minus 44 Prozent geschafft hatte.

Corbyn war somit der Labour-Spitzenkandidat direkt aus der Hölle und Johnson hatte hier wirklich leichtes Spiel. Seine Wahlerfolge sind somit durchaus auch mit einem ordentlichen Quäntchen Glück zu erklären. Wie so vieles im Leben von Boris Johnson, der mit viel Klassenbewusstsein und der Gewissheit aufwuchs, am Ende immer wieder auf die Füße zu fallen.

Eines muss man an Boris Johnson genauso wie Donald Trump ein wenig bewundern. Sie haben eine schier unmenschliche Kraft, Druck auszuhalten. Es ist ein wenig so, als würden sie denn Unmut und Zorn ihres Gegenübers gar nicht wahrnehmen.

Bis zu einem gewissen Punkt ist dies auch so. Beide sind märchenhaft schlechte Zuhörer. Sie hören konsequent nur den Teil, der ihnen nützt oder der irgendwie relevant für sie sein könnte. Wichtiger noch, sie folgen konsequent einem simplen Aufmerksamkeitsradar, der sie vor Gleichgültigkeit und Nichtbeachtung fliehen lässt. Zorn und Anfeindungen können hingegen genossen werden. Mögen alle auch schimpfen, Hauptsache der Mittelpunkt konnte wieder besetzt werden!

Zwei US-Comedians brachten Donald Trump bei einer Wahlkampfrede einmal aus der Fassung, weil sie dauernd riefen "Langweilig" und "Sag was interessanteres". Trumpisten wissen, sie müssen liefern.

Fatalerweise liegen sie in einer Mediendemokratie damit genau richtig. Der Labour-Vorsitzende Keir Starmer propagiert sich offen als die "langweilige Alternative". Als der sauber arbeitende Jurist, der die Dinge wieder in Ordnung bringt.

Die meisten Menschen beeilen sich zu behaupten, dass sie dies richtig finden halten. Ganz aufrichtig sind sie dabei nicht. In Wahrheit ist Boris nämlich more "fun".