Braune Schattenarmee: Fakt oder Fiktion?
Warum im Parlament viele Stunden über eine vermeintliche BAMF-Affäre, aber wenig über rechte Soldaten geredet wird
Mitte November 2018 hatte ein Rechercheteam der taz einen langen Artikel mit dem Titel "Hannibals Verein" veröffentlicht. Dort wird ein Netzwerk aus Bundeswehrsoldaten, mit so genannten "Preppern" und Personen aus dem Sicherheitsbereich, beschrieben, die sich angeblich auf einen "Tag X" vorbereiten und in Chatgruppen die Ermordung politischer Gegner planen.
Auch der Focus berichtete über diese rechten Umtriebe bei der Bundeswehr. Knapp zwei Monate nach der Veröffentlichung sei die Reaktion von Medien und Politik auf diese Veröffentlichungen enttäuschend verhalten, meinte Fabian Kunow vom Bildungsverein Helle Panke in Berlin.
So leitete er am Montagabend eine gut besuchte Veranstaltung ein, die sich der Frage widmete, warum der gesellschaftliche Aufschrei ausgeblieben ist. Zu Beginn berichte Christina Schmidt vom taz-Rechercheteam über die mehr als einjährige Arbeit der mittlerweile auf fünf Journalisten aufgestockten Gruppe. Im Zentrum steht der Verein Uniter e.V., der ehemalige Bundeswehrangehörigen Jobs im Sicherheitsdienst in aller Welt vermittelt.
Bärendienst für die Uniter?
Auf der Homepage der Uniter gibt man sich auch nach den Veröffentlichungen gelassen. Unter der Überschrift "Bärendienst" heißt es dort:
Ein Gutes hat die Sache mit der plötzlichen Bekanntheit nun auch, wir bekommen täglich neue Mitglieder - und bitten an dieser Stelle um Nachsicht, wenn wir mit der Bearbeitung etwas hinterher hinken. Etliche der Antragsteller stammen aus höheren Führungspositionen, aus Medien, Politik, den Behörden und sogar größeren Organisationen. So durchmischen sich unsere Reihen, und es gibt neue Ideen und frische Impulse für unser Leitthema Sicherheit für Leben, Bildung und Entwicklung.
Mittlerweile geben auch große Sicherheitsfirmen uns ihre Jobangebote, die wir an die jeweils qualifizierten Mitglieder unseres Netzwerkes vermitteln. Das gibt unserem Ethik-Kodex für die Sicherheitsbranche weiteren Auftrieb und sorgt für Nachhaltigkeit und Wertigkeit in einer Branche, die in einem gnadenlosen Verteilungskampf steht. UNITER gilt mittlerweile als Qualitätssiegel für gutes, handverlesenes Personal im Sicherheitsbereich. Ein Anspruch für unser weiteres Handeln.
Bärendienst, Uniter-Netzwerk
Sollten diese Angaben den Tatsachen entsprechen, könnte man denken, dass führende Unternehmen sich angezogen fühlen von Meldungen über rechte Umtriebe. Teile des Kapitals sehen wohl nicht nur in Brasilien eine Option.
Dass man Ermittlungen nicht zu fürchten scheint, wird plausibel, wenn Schmidt aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zitiert. Dort wird den Unitern bescheinigt, ein gemeinnütziger Verein zu sein, der demokratischen Grundwerten verpflichtet ist.
Diese Selbstdarstellung des Vereins steht aber im Widerspruch zur von Schmidt geschilderten Reaktion der Uniter auf eine Presseanfrage des taz-Rechercheteams. In einer Mail wurde die Zeitung mit der Mitteilung beschieden, dass man nicht mit der Presse kommuniziere und bei weiteren Bedrängungsversuchen den Militärischen Abschirmdienst einschalten werde.
Das Parlament interessierte sich wenig dafür. Man arbeitete sich lieber an dem angeblichen Bremer BAMF-Skandal ab, der gar keiner war, als sich mit einer möglichen rechten Schattenarmee zu befassen.
Vorbild Wehrsportgrupp Hoffmann?
Die Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Bundestag und stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke, Martina Renner, zog auf der Veranstaltung Parallelen zur neonazistischen Wehrsportgruppe Hoffmann, die bereits Ende der 1970er Jahre gute Kontakte zu Konzernen und Stützen der bürgerlichen Gesellschaft hatte.
An prominenten und praktischen Bekanntschaften schien es Hoffmann nicht zu mangeln. Es war ein offenes Geheimnis, dass einflussreiche Persönlichkeiten ihm den Rücken freihielten und ihn unterstützten. Namhafte Persönlichkeiten wie der Nürnberger Rüstungsfabrikant Diehl, seit 1997 Ehrenbürger der Stadt Nürnberg, sollen zum Unterstützerkreis der Hoffmanntruppe gehört haben. Entsprechende Andeutungen machte Freiherr Gilbert von Sohlern, Schlossherr in Gößweinstein und Gönner Hoffmanns, gegenüber als Geldkuriere getarnten Journalisten.
Hagali
Dass das Paktieren mit Rechtsaußen in der Bundeswehr so selten nicht ist, zeigte Renner an der Geschichte des 1996 gegründeten Kommandos Spezialkräfte auf.
Deren ehemaliger Kommandeur Reinhard Günzel stellte die Spezialeinheit in dem von einem extrem rechten Verlag 2015 herausgegebenen Buch "Geheime Krieger" in die Tradition der Wehrmachts-Spezialdivision Brandenburg.
Renner plädierte für die Auflösung der KSK. Aus dem Publikum wurde darauf hingewiesen, dass in den 1950er Jahren eine aus Ex-Nazis gebildete Geheimarmee Schnez Listen mit Oppositionellen erstellte, die am Tag X liquidiert werden sollte. Es waren Kommunisten, Juden und Sozialdemokraten, auch der damalige hessische Ministerpräsident, darunter. Fabian Kunow erinnerte an den Mord der Namensgeberin der Rosa-Luxemburg-Stiftung vor 100 Jahren.
Die von der SPD angeworbenen Freiwilligen- und später Freikorpsverbände können auch als eine Form der protofaschistischen Schattenarmee unter Noskes Befehl bezeichnet werden. 100 Jahre später werden die Morde an Tausenden Arbeitern in den Jahren 1918-1923 von führenden Sozialdemokraten, aber auch von liberalen Publizisten wie Arno Widmann und Historikern wie Mark Jones, der für sein Buch "Am Anfang war Gewalt" auch von Linken gelobt wurde, verteidigt. So zitiert die Frankfurter Rundschau Mark Jones so:
Die unmittelbare Gefahr für die Republik kam 1918/1919 nicht von rechts, sondern von links. Darum musste die Republik sich mittels der alten Militärs gegen die Spartakisten wehren
Mark Jones, Historiker
Tatsächlich spielte der Spartakusbund vor 100 Jahren keine große Rolle. Es waren Arbeiter, die für eine gesellschaftliche Umwälzung kämpften, die so noch nach 100 Jahren zum Abschuss freigegeben sind.
Nur Andrea Nahles hat sich leicht von Noske distanziert. Wenn man also von den rechten Schattenarmeen redet, sollte man über nicht darüber schweigen, dass sie Teil der bürgerlichen Politik und in Krisenzeiten Zulauf bekommen könnten wie vor 100 Jahren.
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