Braunkohleausstieg vorerst verpasst
- Braunkohleausstieg vorerst verpasst
- Streit um belgische Pannenreaktoren hält an
- Auf einer Seite lesen
Die Energie- und Klimawochenschau: Energiepolitischer Rückblick und Ausblick
Davor, dass Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2020 verfehlen wird, wird nicht erst seit vorgestern gewarnt. Der Klimaschutzbericht der Bundesregierung für das Jahr 2015 zum Aktionsprogramm 2020 bestätigt diese Vermutung, auch wenn sie so explizit nicht formuliert ist. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, seine CO2-Emissionen gegenüber dem Basisjahr 1990 und 40 Prozent zu senken. Bis zum Jahr 2015 wurden davon 27 Prozent erreicht.
Bereits 2014 hat die Bundesregierung das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sowie den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) verabschiedet, um eine Klimaschutzlücke von schätzungsweise fünf bis acht Prozent des Einsparziels zu schließen. Durch das Aktionsprogramm sollen 62 bis 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente durch zahlreiche Einzelmaßnahmen eingespart werden. Dies wird nach den aktuellen Schätzungen der Gutachter kaum erreicht. Nach jetzigem Stand der Umsetzung und Planung würden die CO2-Emissionen bis 2020 lediglich um 47 bis 58 Millionen Tonnen reduziert. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks gibt sich dennoch verhalten optimistisch:
Die Maßnahmen des Aktionsprogramms beginnen zu wirken, wir sparen Energiekosten, wir schaffen Werte und Beschäftigung mit dem Klimaschutz. Insofern sind wir auf einem guten Weg, die 40 Prozent bis 2020 zu leisten. Immerhin sind schon 70 Prozent der über 100 Maßnahmen des Aktionsprogramms komplett umgesetzt. Trotzdem: Deutschland muss sich nach wie vor gehörig anstrengen, die selbst gesetzten Ziele zu erreichen.
Barbara Hendricks
Sorgenkind ist und bleibt der Verkehrssektor, in dem es nach den aktuellen Prognosen der Gutachter kaum zu einer Emissionsreduktion kommen wird. Mit 164 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bewegen sich die Emissionen 2015 auf dem Niveau von 1990 und machen 18 Prozent der deutschen Gesamtemissionen aus. Mit den Maßnahmen des Aktionsprogramms sollten sie bis 2020 um 7 bis 10 Millionen Tonnen sinken, die Gutachter erwarten nach jetzigem Stand eine Minderung zwischen 1,15 und 1,6 Millionen Tonnen.
Dem Aktionsprogramm Klimaschutz und dem NAPE folgte im Jahr 2015 in der Bundesregierung ein zähes Ringen um den Klimaschutzplan, der erst in letzter Minute vor der Klimakonferenz in Marrakesch im November verabschiedet wurde. Bereits im Juni hatte das Bundeswirtschaftsministerium insbesondere die konkreten Ziele zum Kohleausstieg aus dem Entwurf des Umweltministeriums gestrichen. Weitere Streichungen erfolgten dann im Juli durch das Bundeskanzleramt. Umweltverbände bemängelten danach zu geringe Ambitionen in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr und Industrie.
Zentrales Manko bleibt auch in der im November verabschiedeten Version, dass der Kohleausstieg weder festgeschrieben noch mit einem Datum versehen wird. Eine Kommission, die sich mit der Zukunft der Braunkohle auseinandersetzen soll, soll erst 2018 eingesetzt werden und "Kommission Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung" heißen, das Wort "Ausstieg" wird gemieden.
Lausitzer Braunkohlesektor geht an neue Eigentümer
2016 wurde mit dem Verkauf der Braunkohlesparte des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall in Deutschland an die tschechische Energetický a Průmyslový Holding (EPH) und ihren Finanzpartner PPF-Investments mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey die weitere Ausbeutung der Braunkohle in der Lausitz festgeschrieben. Klimaschützern versuchten monatelang, diesen Deal zu verhindern. Doch die schwedische Regierung genehmigte trotz Protesten Anfang Juli den Verkauf, die EU-Kommission im September.
Vattenfall hat Ende September seine Braunkohlekraftwerke und -tagebaue in der Lausitz an die neuen Eigentümer übertragen. Diese haben zwei neue Unternehmen gegründet: die Lausitz Energie Bergbau AG für den Kohleabbau und die Lausitz Energie Kraftwerke AG für den Betrieb der Kraftwerke. Beide firmieren unter der gemeinsamen Marke LEAG. Hinter den beiden LEAG-Unternehmen steht eine komplizierte Gesellschafterstruktur, teilweise mit Firmensitzen in den Steueroasen Zypern und Jersey, wie der Energiejournalist Stefan Schröter berichtet.
Mutterunternehmen der LEAG-Gesellschaften ist die Lausitz Energie Verwaltungs GmbH mit Sitz in Cottbus und einem Stammkapital von lediglich 25.000 Euro. Diese halte jedoch nur 80 Prozent der Anteile an ihren Töchtern, die restlichen 20 Prozent seien wiederum im Besitz von Zweckgesellschaften von EPH und PPF, die u.a. auf Zypern und Jersey registriert seien.
Die Rolle der Lausitz Energie Verwaltungs GmbH bleibt unklar, ein Vertreter der Lausitz Ernergie Bergbau AG wollte dazu in der Sitzung des Brandenburger Braunkohlesausschusses vom 17. November keine Auskunft geben. Die Grünen-Abgeordnete Heide Schinowsky hat nun eine Kleine Anfrage an die Landesregierung zur Eigentümerstruktur und Haftung der LEAG-Gesellschaften gestellt.
Derartige Berichte nähren Zweifel, wie viel Verantwortung die neuen Eigentümer in der Region auch langfristig zu tragen bereit sind. Bereits zuvor war vermutet worden, dass es EPH an einem Abschöpfen möglichst großer Gewinne in der Lausitz gelegen sei, ohne notwendige Rücklagen für die spätere Rekultivierung der Tagebaue zu bilden.
Während der ersten drei Jahre nach der Übernahme sind die Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung jedoch vertraglich begrenzt, auch Rückstellungen dürfen in diesem Zeitraum nicht aufgelöst werden. Ihre genauen Pläne für die Lausitz, was etwa eine Ausweitung von Tagebauen angeht, hat die LEAG bislang nicht bekannt gegeben.