Breite Bürgerbeteiligung durch das Internet noch nicht in Sicht
Inmitten der Informationsgesellschaft ist die Verwaltung in Deutschland noch mit sich selbst beschäftigt
Für viele Bürger klingen diese Begriffe recht neumodisch: "eGovernment", "eAdministration" oder "ePartizipation". Dabei sind sie gar nicht mehr so neu wie es den Anschein hat. Schon seit vielen Jahren machen sich Politik und Verwaltung in den Industrieländern Gedanken, wie die neuen Medien in ein von Papier und Schrift geprägtes bürokratisches Gemeinwesen implementiert werden könnten, mit unterschiedlichem Erfolg. Ein Projekt das bisher noch gar nicht richtig in Schwung kam, ist der Auf- und Ausbau der sich durch das Internet bietenden Möglichkeiten, was die Beteiligungsmöglichkeiten des Bürgers an politischen Entscheidungen betrifft.
Dies ist, knapp zusammengefasst, das Ergebnis einer Studie, welche unter der Federführung der Initiative "eParticipation" versucht hat, den aktuellen Zustand der von den Autoren als "eBürgerbeteiligung" definierten Mitwirkungsmöglichkeiten zu ergründen. Mitglieder der Initiative sind neben wissenschaftlichen Institutionen auch Dienstleister und Think-Tanks aus dem Bereich der Neuen Medien.
Die eMetropole als Schrittmacher des politischen Internet?
Grundlage der Studie war das internetbasierte Kommunikationsangebot der 37 größten Städte Deutschlands (alle über 200 000 Einwohner). Da die Stadt mindestens seit dem Mittelalter der Schrittmacher für das war, was man gemeinhin den zivilisatorischen Fortschritt nennt, wurde der Untersuchungsgegenstand sicher gut ausgewählt, aber nicht nur deshalb. Gleichzeitig lässt sich hiermit, wie die Autoren selbst hervorheben, die Perspektive auf jenes Politikfeld lenken, welches den Bürgern am nächsten ist: die Kommunalpolitik; so werden die Ziele und Problemfelder auch auf kleinere Gemeinden anwendbar, denn schließlich kann das Internet auch als eine Dezentralisierungsinstanz wirken.
Das methodische Vorgehen umfasste einen Katalog mit Testkriterien, welcher in zwei Teile gegliedert wurde. Im ersten Teil stand die Website der jeweiligen Stadt im Vordergrund. In dieser Kategorie standen eine bestmögliche Adressierbarkeit der Anfragen und die aufgearbeitete Bereitstellung von generellen Informationen für die Bürger im Vordergrund. Der zweite Teil untersuchte die konkreten Beteiligungsmöglichkeiten, wobei hier das Diskursmanagement der Institutionen und die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der Bürger auf Entscheidungen im Vordergrund standen. In beiden Teilen konnte eine Höchstpunktzahl erreicht werden, die nach dem Zusammenzählen eben jenen Punktewert erbrachten, nachdem die Städte dann eingeordnet wurden.
Begriffsklärung eines unbekannten Begriffes
Was ist "eBürgerbeteiligung"? Die Autoren haben den Ausdruck ePaticipation durch eBürgerbeteiligung ersetzt, weil es ihrer Meinung nach den demokratischen Prozess einer ständigen Kommunikation zwischen Bürger und Politik (Verwaltung) besser beschreibt. Der in der Studie beschriebene Ist-Zustand in Deutschland kann als Vorbild einer solchen ständigen Kommunikation nicht herhalten, denn:
Der Anspruch guten eGovernments liegt darin, dass BürgerInnen von ihrer Regierung mehr verlangen als bunte Websites und Online Formulare für die Steuererklärung.
Damit sind schon zwei Stärken dieser Studie angesprochen. Es werden nämlich nicht nur die mageren Tatsächlichkeiten der bisherigen Internetangebote von Politik und Behörden analysiert.
Im Sinne einer "Best Practice" wird auch nach einer annähernd idealen, aber doch machbaren Vision für das politische Internet gefragt. Und selbstverständlich geht diese Erwartungshaltung weit über das immer wieder vehement geforderte eVoting hinaus. Zuerst wird jedoch eine Einordnung der Begrifflichkeiten vorgenommen. So soll eBürgerbeteiligung hier als Untermenge von eDemocracy (Partizipative Elemente) verstanden werden, welche wiederum mit eAdministration (Bürgerdienste und Informationsangebote) zusammen die Grundlage von eGovernment bildet. Als allgemeine Definition wird für das weitere Vorgehen die folgende Erklärung angeboten:
Unter eBürgerbeteiligung werden jene Elemente der Bürgerbeteiligung betrachtet, die eine aktive Teilhabe an politischen Diskurs- und Entscheidungsprozessen mit Hilfe des Internets ermöglichen.
Das Entscheidende hierbei ist natürlich die "aktive Teilhabe". Es sei ja nicht so, dass es nicht schon erste Ansätze und auch jede Menge Möglichkeiten der Informationsbeschaffung gibt, so die Autoren. Bis zum Ziel einer eBürgerbeteiligungskultur wäre es allerdings noch ein weiter Weg, nicht zuletzt, weil selbst eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema noch nicht wirklich stattgefunden hat. Jedenfalls bewege sich die Studie mit der Zieldefinition an sich schon auf Neuland, denn das bisher vorhandene könne nur der Anfang sein, wolle man die Potentiale des Internet voll ausschöpfen.
eBürgerbeteiligung ist mehr als eine neue Technik
Dass dazu mehr gehört als eine einfache Internetpräsenz, zeigen die Unterkategorien der Aufgabenstellung. Hinter dem recht allgemeinen Begriff der Adressierbarkeit versteckt sich eben nicht nur die Möglichkeit, einem konkreten Ansprechpartner direkt eine E-Mail schicken zu können. Zusätzlich sollten die Behörden auch Online-Konferenzen, Foren und Chats anbieten, die sich durch einen "höheren Grad an Interaktivität" auszeichnen. Offenheit in Form von aktueller und bürgernaher Information, sowie die Einladung zur Meinungsäußerung sind weitere wichtige Kriterien.
Vor allem die Informationsaufarbeitung sollte den Bürger in die Lage versetzen, rechtliche und verwaltungstechnische Vorgaben so zu verstehen, dass sie als Grundlage in die politische Äußerung einfließen können. Die Verfahrenstransparenz und eine Klärung der Regeln für die Beteiligung sind auch hier einzuordnen. Und obwohl Benutzerfreundlichkeit eigentlich eine selbstverständliche Zielvorgabe sein sollte, konnten die Kandidaten auch hier Punkte verliehen bekommen.
Die Höchstpunktzahl in der Kategorie "Interaktionstiefe der Partizipation" ließe sich erreichen, wenn eine klassische Präsenzveranstaltung mit virtuellen Angeboten verknüpft würde. Die Hauptkategorie "Einfluss auf Entscheidungen" erfordert dann wiederum, neben einem generellen Feedback, eine Resonanz der Entscheidungsträger, wie und wann die Vorschläge der Bürger in den Entscheidungsprozess eingeflossen sind. Insgesamt konnten 55 Punkte erreicht werden, was das Optimum an eBürgerbeteiligung darstellen würde. Allerdings kam keiner der Kandidaten auch nur annähernd an diesen Wert heran.
Hauptstadt der eBürgerbeteiligung: Berlin
Auf dem ersten Platz fand sich die Hauptstadt Berlin (39 Punkte) wieder, gefolgt von Essen, Düsseldorf und Bochum. Aber es gab in den einzelnen Kategorien auch Etappensieger wie zum Beispiel der Forumsbereich in Magdeburg, welches im Gesamtranking neben Städten wie Freiburg im Breisgau, Oberhausen und Chemnitz zuletzt nur in der hintersten Gruppe zu finden ist. Trotz vieler guter Ansätze ist die Liste von Verbesserungsvorschlägen lang, denn im Ganzen sind die Ergebnisse eher ernüchternd, so die Autoren.
Das Problem in Deutschland liegt in der einseitigen Schwerpunktsetzung auf eAdministration. Die Steigerung der Verwaltungseffizienz durch den Einsatz von mehr Technik, und die Virtualisierung von Verwaltungsverfahren und Rathäusern sind auf den Weg gebracht, resümiert die Studie. Gleichzeitig besteht aber das Problem, dieses als die Krönung der internet-demokratischen Möglichkeiten zu betrachten. Wäre doch selbiges nicht nur eine fatale Beschneidung der Potentiale von Computer und Internet, sondern auch ein außer Acht lassen der politischen Beteiligungsmöglichkeiten durch die in der Gesellschaft zunehmend genutzten Neuen Medien. Genau das sei aber gegenwärtig der Fall, und es kommt einer Tatsache gleich, dass die Verwaltungen eher mit sich selbst beschäftigt sind, trotz allen Ankündigungen einer bürgernahen Dienstleistungskultur-Revolution.
Die Möglichkeiten einer neuen politischen Beteiligungskultur durch eine neue Onlinekultur sind dabei nicht nur von Finanz- oder Kompetenzressourcen abhängig. Die Widerstände, die darüber entscheiden, sind vielfältig, aber nicht Gegenstand der Studie gewesen, wie die Autoren ausdrücklich betonen. Und doch führen sie einige Beispiele in Form von "unsichtbaren Faktoren" an, unter anderem mögliche Ängste vor einem Macht- und Kontrollverlust, oder einfach nur Unkenntnis des Gegenstandes, über die in diesem Zusammenhang sicher diskutiert werden könnte. Aber es müsste auch gesagt werden, was die Umsetzung einer eBürgerbeteiligung nach der gegebenen Definition bedeuten würde: eine neue Art von Demokratie nämlich. Und das ist schließlich auch kein Pappenstiel.