Brics-Erweiterung: Zwischen geopolitischer Macht und wirtschaftlichem Potential
Die Brics-Gruppe wächst, aber was steckt dahinter? Bei dieser Frage gehen die Meinungen im Westen auseinander. Über geopolitische und ökonomische Ziele.
Vor dem Treffen der fünf Brics-Staaten in Südafrika malten westliche Medien das Gespenst einer neuen Weltordnung an die Wand. Nach dem Treffen und der angekündigten Erweiterung hat sich der Ton merklich geändert. Eine gewisse Arroganz macht sich breit.
"Es gibt einen neuen Club in der Stadt und der nimmt neue Mitglieder auf", heißt es auf Euractiv. Angesichts der geplanten Expansion sei unklar, was der Hauptzweck der Brics-Organisation sei.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vermutet Größenwahn hinter der Erweiterung des Brics-Formats. Die Aufnahme von sechs neuen Staaten habe nichts mehr mit einem Wirtschaftsbündnis zu tun.
Schon die Aufnahme Südafrikas 2010 sei ein fragwürdiger Schritt gewesen. Schließlich sei Südafrika zwar von regionaler Bedeutung, aber kein Wirtschaftsriese.
Und nun seien sechs weitere Länder zur Mitgliedschaft eingeladen worden, die allesamt keine Wirtschaftsmächte seien. Das Bruttoinlandsprodukt der Brics-Familie wachse lediglich von knapp 26 Billionen US-Dollar auf rund 29 Billionen US-Dollar. Das seien gerade einmal 12,5 Prozent. Damit bleibe der Abstand zur Wirtschaftsleistung der G7 nahezu identisch.
Nur Saudi-Arabien und Argentinien spielen wirtschaftlich überhaupt eine nennenswerte Rolle auf der Weltbühne, aber selbst kombiniert erreichen beide nicht einmal die Wirtschaftsleistung Brasiliens – dem schwächsten der ursprünglichen BRIC-Staaten. Bemerkenswert ist auch, wer nicht Mitglied wird: etwa aufstrebende und dynamisch-wachsende Wirtschaftsmächte wie Indonesien oder Südkorea.
Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat am Donnerstag erklärt, dass die Wirtschaftsleistung eines Landes nicht das entscheidende Kriterium für die Aufnahme in die Brics sei.
Neue Mitglieder würden nach ihrer geopolitischen Bedeutung und nicht nach der Ideologie ihrer Regierungen ausgewählt. "Was zählt, ist nicht die Person, die regiert, sondern die Bedeutung des Landes", sagte Lula laut Reuters auf einer Pressekonferenz vor seiner Abreise aus Südafrika. Und die geopolitische Bedeutung des Iran und anderer Länder, die den Brics beitreten werden, sei nicht zu leugnen.
Es wird erwartet, dass die Erweiterung den Weg für Dutzende weiterer Länder ebnen wird, die sich um eine Mitgliedschaft in der Gruppe bemühen, um die vorherrschende Weltordnung neu zu ordnen. Lula sagte, Brasilien werde den Beitritt von Nigeria, Angola, Mosambik und der Demokratischen Republik Kongo unterstützen.
Mehr als 40 Länder haben ihr Interesse an einer Mitgliedschaft in der Brics-Gruppe bekundet, 22 haben sich offiziell um eine Aufnahme in die Gruppe beworben, die heute rund 40 Prozent der Weltbevölkerung und ein Viertel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts repräsentiert.
Im Westen besteht nun die Befürchtung, dass sich die Brics-Gruppe zu einem antiwestlichen Bündnis wird. Mit Äthiopien und dem Iran kämen zwei Staaten in die Vereinigung, welche vom Westen kritisch gesehen und zum Teil auch sanktioniert werden.
Allerdings hatte Südafrikas Präsident Cyrill Ramaphosa vor dem Gipfel erklärt: "Wir werden uns nicht in einen Wettstreit zwischen den Weltmächten hineinziehen lassen". Mit Ausnahme des Irans hatten auch alle anderen Neumitglieder versucht, sich bündnisfrei zu positionieren – mit guten Beziehungen zur Europäischen Union, den USA und Russland.
Im Vordergrund der Brics-Erweiterung dürfte die wirtschaftliche Komponente stehen, auch wenn deutsche Ökonomen die Entwicklung auf andere Art interpretieren. Die Aufnahme in das Bündnis dürfte die Fortsetzung der veränderten Handelsbeziehungen zwischen den Ländern sein.
Die Handelsverflechtungen zwischen den bisherigen und den künftigen Mitgliedern des Blocks haben laut Reuters Aufmerksamkeit erregt. "Die wachsende Handelsverflechtung scheint einen gewissen Grund für politische Ankündigungen zu liefern", sagte demnach Chris Turner von der niederländischen Bank ING.
Nach Berechnungen von ING ist der Anteil der BRICS-Kernländer an den Importen der neuen Beitrittsländer seit 2015 von 23 auf 30 Prozent gestiegen. Damit haben sie die Eurozone, die USA und andere entwickelte Volkswirtschaften überholt.
Auch Jakob Ekholdt Christensen von der BankInvest in Kopenhagen ist überzeugt, dass Marktzugang und ausländische Direktinvestitionen eine wichtige Rolle spielen. China, Brasilien und Indien würden vom leichten Zugang zu Öl profitieren, sagte er gegenüber Reuters. Argentinien und vor allem der Iran würden vom Zugang zu Märkten und ausländischen Direktinvestitionen profitieren.
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