Brics-Gipfel: Die Angst des Westens vor einer neuen Weltordnung

Die Außenminister der Brics-Staaten mit Vertretern aus Afrika und dem Globalen Süden während eines Gipfels in Kapstadt, Südafrika, am 2. Juni 2023. Bild: Russisches Außenministerium

In Südafrika treffen sich die Brics-Staaten. Es geht um die Aufnahme neuer Mitglieder, Entdollarisierung und wirtschaftliche Kooperation. Wovor sich Washington und Brüssel am meisten fürchten.

Spiegel Online titelt: "Kommt jetzt die neue Weltordnung". Der Gipfel der sogenannten Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (Brics) in Johannesburg, der seit gestern für drei Tage stattfindet, richte sich, so der Deutschlandfunk besorgt, "gegen die westliche Dominanz".

In einer aktuellen Studie der Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) heißt es, dass China eine Strategie verfolge, die internationale Ordnung neu zu gestalten. Dafür wolle Beijing wirtschaftsstarke, aufsteigende Volkswirtschaften wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten oder Argentinien mit in den Kreis der Brics (genannt Brics+) aufnehmen.

Insgesamt haben 20 Staaten formell Aufnahme in den Bund beantragt, sagte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Sonntag. 40 weitere haben Interesse daran signalisiert. Ihr Ziel, so das Handelsblatt: Die Abkehr vom US-Dollar. Es soll wie eine Drohung klingen.

Zugleich betonen viele Kommentatoren im Westen die Zerrissenheit und Kraftlosigkeit des Bündnisses. So empfiehlt der Reuters-Kolumnist Hugo Dixon dem Bündnis, sich besser aufzulösen, als noch weiter zu expandieren. Denn:

Trotz ihrer jährlichen Zusammenkünfte haben die Brics-Staaten gemeinsam nichts Bemerkenswertes erreicht.

Das ist nicht ganz falsch, wenn auch in dieser Form zu pauschal. Viele Entwicklungsländer sehen jedenfalls in dem Brics-Bündnis eine Chance. Allein über 30 Staats- und Regierungschefs von afrikanischen Ländern reisen nach Johannesburg.

Zudem könnte man fragen, was denn die westlichen Bündnisse wie G7 oder die von den USA kontrollierten Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF), Weltbank oder auch die Welthandelsorganisation für die ärmeren Teile der Welt gebracht haben.

Wir wissen die Antwort darauf: Sie haben viele Länder des Globalen Südens in Schuldenkrisen, soziale Austeritätskollapse und unfaire Handelsregime getrieben. Aber die Auflösung dieser westlichen Institutionen wird von Medien hierzulande bis heute nicht gefordert.

Die Angst vor dem Brics-Bündnis, das seit 2009 regelmäßige Treffen abhält (das diesjährige ist das 15.), bezieht sich auch nicht auf das, was es bisher erreicht hat, sondern auf das, was es erreichen könnte.

Denn die Entwicklungen der letzten Jahre haben dem Brics-Projekt neue Bedeutung verliehen. Der Neue Kalte Krieg Moskaus und Beijings mit Washington und Brüssel, weiter angeheizt durch die russische Invasion in die Ukraine und den Streit um die Inselrepublik Taiwan, die Rückkehr von Luiz Inácio Lula da Silva zur Präsidentschaft Brasiliens im Jahr 2022 und die damit verbundene Ernennung von Dilma Rousseff zur Präsidentin der Brics-Institution New Development Bank (NDB) sowie die relative Entfremdung Indiens und Südafrikas von den westlichen Mächten in unterschiedlichem Maße haben zu einem "perfekten Sturm" geführt, der das Gefühl der politischen Einheit in den Brics wiederhergestellt zu haben scheint (trotz der ungelösten Spannungen zwischen Indien und China).

Hinzu kommen das wachsende Gewicht der Brics in der Weltwirtschaft und die verstärkte ökonomische Interaktion zwischen ihren Mitgliedern. Im Jahr 2020 wird der weltweite Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Brics-Länder in Kaufkraftparität – 31,5 Prozent – den der Gruppe der Sieben (G7) – 30,7 Prozent – übertreffen. Es wird erwartet, dass dieser Abstand noch größer wird.

Der bilaterale Handel zwischen den Brics-Ländern hat ebenfalls stark zugenommen: Brasilien und China brechen jedes Jahr Rekorde und haben im letzten Jahr 150 Milliarden US-Dollar erreicht. Die russischen Exporte nach Indien haben sich von April bis Dezember 2022 im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht und sind auf 32,8 Milliarden US-Dollar gestiegen.

Der Handel zwischen China und Russland ist von 147 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 190 Milliarden im Jahr 2022 gestiegen, was einem Anstieg von fast 30 Prozent entspricht.

Ökonomisch stehen Brasilien, Russland und Südafrika wegen ihrer Rohstoffe zudem besser da als erwartet. Denn die Preise zogen nach den Lockdowns schnell wieder stark. Das führte auch dazu, dass Russland sich trotz westlicher Sanktionen und der Beschlagnahmung von 600 Milliarden US-Dollar überraschend gut erholen konnte.