Brief an finnische Reservisten über Vorbereitung auf Krisensituation

Newsweek: Zwei Versionen über Finnlands Verteidigung

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Ein Online-Artikel der Europa-Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Newsweek" vom ersten Mai sorgte für Protest im finnischen Verteidigungsministerium. Die Behörde, die 900.000 Reservisten anschrieb, sah sich missverstanden. Laut Pressesprecher Mika Kalliomaa habe dies nichts mit der Krise mit Russland zu tun. Die Story berichtete über Finnland, das sich auf eine militärische Krise vorbereitet, und wurde auch hierzulande verbreitet, beispielsweise von der FAZ: Spannungen im Norden - Finnland warnt 900.000 Reservisten vor Krisensituation oder der SZ: Militär-Kampagne - Finnland zeigt sich wehrbereit. Die finnische Marine hatte in der letzten Woche gegen ein Unterwasserobjekt nahe Helsinki Wasserbomben abgefeuert.

"Der Reservisten-Brief soll unsere Kommunikation mit den Soldaten verbessern und hat nichts mit derzeitigen Sicherheitssituation zu tun", erklärte Kalliomaa. Das Ministerium bemängelte auch einige faktische Fehler wie die Anzahl der Soldaten.

Newsweek korrigierte nicht nur, sondern strich auch einen Interviewpartner und "baute" einen neuen ein, was das Magazin auch am Schluss des Beitrags vermerkt.

Weggelassen wurde in der redigierten Fassung des Beitrags der Journalist und Geschäftsmann Jon Hellewig, der sich in Finnland für mehr Nähe zum russischen Nachbarn einsetzt. Er hält die Aufregung um das vermeintliche U-Boot für eine "Propagandataktik", um antirussische Ängste zu schüren. Hingegen wurden Statements des schwedischen Journalisten Patrik Oksanen eingefügt, der versichert, dass es sich sicherlich um ein russisches U-Boot handle. Die finnische Regierung sei jedoch nicht an öffentlichem Aufsehen interessiert. Oksanen ist Politik-Ressortleiter der Regionalzeitung "Hudiksvalls Tidning", die der wirtschaftliberalen Zentrumspartei in Schweden nahe steht.

Auch wurde ein Kommentar des Präsidenten Sauli Niinisto hinzugefügt, der gegenüber der Washington Post im letzten Jahr äußerte, dass die Finnen aus historischen Gründen sehr genau beobachteten, was Russland tue. Zudem mussten mehrere Falschbehauptungen korrigiert werden, darunter, dass Wahlsieger Juha Sipilä schon Premier sei. Mit der Regierungsbildung ist erst Mitte dieser Woche zu rechnen.

Der Artikel bekommt nun eine andere Richtung. Las sich die erste Version so, dass die finnische Regierung seine Bevölkerung auf einen zunehmenden Konflikt einstimmt, finden sich in der zweiten Version Verlautbarungen, die das bestreiten, sowie eine Erklärung eines schwedischen Journalisten, dass die finnischen Offiziellen keine Thematisierung einer möglichen Gefahr wünschen. Vielleicht ist dies auch richtig, schließlich gibt es in Finnland die Tradition der Neutralitätspolitik und der kommende Premier der finnischen Zentrumspartei will diese Tradition stärker pflegen.

Doch warum wurde dies alles nicht vorher recherchiert? War dies dem Kosten-/ Zeitdruck geschuldet, unter dem Online-Journalismus steht? Und wieso wird einem schwedischen Journalisten einer Regionalzeitung aus Hälsingland in der neuen Fassung so viel Raum eingeräumt? (Oksanen war einmal Korrespondent in Brüssel, dies wird jedoch im Newsweektext nicht mitgeteilt). Die Kritik von finnischer Seite richtet sich gegen die nicht nachvollziehbare Expertenauswahl.

Dabei bleibt die Frage, ob man einen solchen Artikel überhaupt auf das Drängen von Ministerien verändern sollte. Interessant wäre es, wenn Newsweek die alte Version im Netz belassen hätte - dann könnten die Leser den Korrektur-Prozess verfolgen.