Britischer Lauschangriff auf Kofi Annan?

Der UN-Generalsekretär soll im Vorfeld des Irak-Krieges bespitzelt worden sein

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Wie heißt es doch so schön? Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Offensichtlich fand der britische Geheimdienst im Vorfeld des Irak-Krieges Geschmack an diesem Spruch und machte nicht einmal vor Nobelpreisträger und UNO-Generalsekretär Kofi Anann Halt.

In einem BBC-Radiointerview am Donnerstag erklärte die ehemalige britische Ministerin für Entwicklungsfragen, Clare Short , dass der britische Geheimdienst Kofi Annan abgehört hätte. Sie habe einige Gesprächsabschriften sogar selbst gesehen. Auf gezielte Nachfrage der BBC, ob sie auch bestätigen könne, dass tatsächlich britische Spione angewiesen worden waren, innerhalb der UNO Personen wie Annan auszukundschaften, antwortete Short mit Nachdruck: "Ja, absolut". Angeblich war das Büro des UNO-Chefs im Vorfeld des Irak-Krieges zeitweise verwanzt.

Eine ähnlich fragwürdige Aktion war bereits beim amerikanischen Geheimdienst NSA aufgedeckt worden. So wurde dem britischen Observer im Frühjahr 2003 ein Memo eines hochrangigen NSA-Offiziers zugespielt, wonach die NSA alle UN-Sicherheitsrats-Mitglieder außer denen der USA und Großbritanniens abhören sollte. Konkret war die Rede von der Überwachung von Telefonen im Büro und Zuhause sowie Emails. Damals setzten die USA alles daran, eine UN-Resolution, die sie zum Irak-Krieg ermächtigen würde, zu erwirken (vgl. Lauschangriff auf die Delegierten des UN-Sicherheitsrats)

Werden peinliche Kriegs-Details vertuscht?

Genau dieser "Skandal" war der eigentliche Anlass für das BBC-Interview mit Clare Short. Die Spitzelaffäre flog nämlich einst durch eine ehemalige Übersetzerin des britischen Geheimdienstes auf. Die 29-jährige Katherine Gun wurde beschuldigt, die "Top-Secret"-Mitteilung des hochrangigen US-Geheimdienstmitarbeiters Frank Kozas dem britischen Observer zugespielt zu haben. Sie verteidigte ihre Indiskretion als Gewissensentscheidung. Es sei ihr nicht möglich gewesen, Stillschweigen über die "Untergrabung des demokratischen Prozesses bei der UNO" zu bewahren. Die Anklage gegen Gun wurde kürzlich aber überraschend aus Beweismangel fallen gelassen. Presse und Oppositionsparteien vermuten allerdings, dass die Regierung Blair in dieser Causa intervenierte, um ein Bekannt werden weiterer entlarvender Informationen über Vorgänge im Vorfeld des Irak-Kriegs zu vermeiden. So hatten die Anwälte Guns eine Offenlegung eines Gutachtens von Generalstaatsanwalt Lord Goldsmith über die Rechtmäßigkeit eines Krieges gegen den Irak gefordert. Das wurde von Ministern der Regierung wiederholt abgelehnt.

In Großbritannien wirbeln die Aussagen Shorts, die aus Protest gegen den Irak-Krieg von ihrem Ministeramt zurückgetreten war, einiges an Staub auf. Und Tony Blair darf sich wieder einmal warm anziehen. Sir Menzies Campell von den Liberaldemokraten meinte gegenüber der BBC, sollten sich die Vorwürfe bestätigen, so würde das wohl nichts Gutes für die ohnehin angeschlagene Reputation Großbritanniens in der UNO bedeuten. Indes verweigert Tony Blair jegliche Stellungnahme zum Wahrheitsgehalt der Aussagen seiner Parteikollegin Short. Gegenüber der Presse sagte er lediglich, das Verhalten Shorts sei absolut unverantwortlich. Weiter betonte Blair, dass alle Aktionen der britischen Geheimdienste auf Basis nationalen und internationalen Rechts ausgeführt würden.

Dahingegen betont die UNO, dass jegliche britische Spionagetätigkeit gegen Kofi Annan illegal wäre. In einer ersten Stellungnahme empörte sich Hassen Fodha, UN-Direktor in Brüssel. "Die Arbeit der Uno ist völlig transparent. Es besteht überhaupt kein Grund zu spionieren oder geheime Kanäle zu nutzen."

Aufklärung unerwünscht?

Ob es weitere Konsequenzen oder Untersuchungen von Seiten der UNO geben wird, ist bis zum derzeitigen Zeitpunkt noch unklar. Als die NSA-Bespitzelung aufgeflogen war, hatte man Untersuchungen angekündigt. Diese scheinen sich aber im Sande verlaufen zu haben. Der dann tatsächlich startende Irak-Krieg ließ die Bespitzelungsaffäre als Lappalie erscheinen. Andere Länder, die ähnliches betreiben, dürften auch nicht wirklich interessiert sein an einer Aufklärung. Beispiele, dass solche Untersuchungen selten in nachhaltige Konsequenzen münden, gibt es ja einige. Der Echelon-Skandal (vgl. Echelon Chronology) hatte zwar auch zu einem Ausschuss des Europäischen Parlaments geführt und mündete in einen Bericht (vgl. Europa-Parlament verabschiedet Echelon-Bericht) Aber das war's dann auch schon. Bedingt geschützt vor den Lauschaktionen der jeweiligen Geheimdienste sind jeweils nur die eigenen Bürger. Im Ausland fallen alle Beschränkungen. Auch als Mitte März 2003 ruchbar wurde, dass die Räume der französischen und deutschen Delegationen im EU-Ministerrat verwanzt waren, gab es zunächst einen empörten Aufschrei (Vgl. Lauschangriff auf EU-Ministerrat). Von Ergebnissen einer angekündigten Untersuchung hat man aber nichts mehr gehört.