Brüder, zum Schatten, zur Freiheit
Ubisofts "Assassin‘s Creed Brotherhood" für PS3 und XBox 360
Der italienische Freiheitskämpfer Ezio Auditore kehrt zurück: „Assassin’s Creed Brotherhood“ knüpft dort an, wo „Assassin’s Creed II“ endete und schickt seinen Protagonisten ins Rom des frühen 16. Jahrhunderts. Auch spielerisch ist die Nähe des zweiten Teils deutlich spürbar, auf dessen Engine die Fortsetzung des Action Adventures aufbaut.
Der Name „Borgia“ muss in der Renaissance für Angst und Schrecken gesorgt haben. Zahlreiche Geschichten ranken sich um die Familie. Allein über Lucrezia Borgia gibt es mehrere Bücher, Dramen, Filme und eine populäre Oper. Ihr Vater Rodrigo Borgia ging als machtbesessener Papst Alexander VI in die Geschichtsbücher ein. Er ist die böse Hauptfigur in der Geschichte von Ubisofts Assassin’s Creed II.
Assassin’s Creed Brotherhood knüpft unmittelbar am Ende des Vorgängers an. Ezio Auditore kehrt nach seinem Sieg über Rodrigo Borgia mit dem mysteriösen Edenapfel heim um sich zur Ruhe zu setzen. Diese wird jedoch schon bald von Cesare Borgia, dem Sohn des Papstes und Lucrezias Bruder zerstört. Ezio, der Assassine, muss wieder in den Kampf gegen die Templer und Cesare ziehen. Diesmal führt sein Weg – wie sprichwörtlich alle – nach Rom, ins Zentrum der Macht.
Die Handlung vermischt erneut frei erfundene Geschehnisse mit historischen Persönlichkeiten und Ereignissen. Wieder dreht sich die Geschichte um Assassine, Templer, Mythen und Verschwörungstheorien. Die Familie Borgia, die das Netz ihrer Macht über Intrigen und Grausamkeit aufrecht erhielt, eignet sich hervorragend für solch einen Plot. Hinzu kommen historische Namen, von denen die meisten bereits in „Assassin’s Creed II“ eine Rolle spielten: Machiavelli, Sforza und nicht zuletzt Leonardo DaVinci. Exklusiv für die PS3-Version gibt es einen Handlungsstrang um Nikolaus Kopernikus als kostenlosen Download.
Auch die Rahmenhandlung in der nahen Zukunft bleibt erhalten: Ihre Hauptfigur Desmond Miles schlüpft mittels einer besonderen Form der virtuellen Realität in die Rolle seines Vorfahren Ezio. Die moderne Zeitebene bekommt insbesondere zum Finale eine stärkere Präsenz als im Vorgänger. Auch ist die Nähe zur Vergangenheit stärker, da die Gruppe um Desmond nicht nur virtuell auf Ezios Spuren wandelt, sondern ihr Hauptquartier unter der Villa Auditore, Ezios Basis in „Assassin’s Creed II“, aufbauen und später ins neuzeitliche Rom reisen. Der Spieler fühlt sich aber nach wie vor Ezio deutlich näher, den er den Löwenanteil der Zeit durch die antike italienische Metropole steuert.
Im fiktiven Rom des frühen 16. Jahrhunderts hat die Familie Borgia fast die gesamte Stadt unter ihrer Kontrolle, was die Jagd auf Cesare nicht gerade einfach macht. Die Suche nach Mitstreitern ist ein wichtiger Aspekt in der Geschichte von „Assassin’s Creed Brotherhood“. Die Bruderschaft im Titel hilft Ezio bei seinem Kampf gegen die Übermacht. Bevor er jedoch weitere Assassine rekrutiert, sucht er Verbündete unter den Schattengestalten, die bereits in den ersten beiden Spielen eine hilfreiche Rolle spielten: Diebe, Söldner und Kurtisanen unterstützen Ezio auf ihre jeweilige Weise mit dem Schwert oder als aufreizende Ablenkung.
Der rote Faden aus Hauptmissionen ist im Vergleich zum Vorgänger sehr dünn. Die Geschichte fesselt weniger als die von „Assassin’s Creed II“. Ein wichtiger Grund dafür ist der Mangel an Entwicklungsspielraum für den Protagonistin, der zu Beginn der Handlung bereits ein erfahrener Assassine ist. Im Vorgänger fing er als argloser Jüngling an, der zunächst lernen musste in den Straßen Florenz zu überleben.
Erarbeiten muss sich Ezio seine volle Stärke dennoch, da er noch im Prolog seine komplette Ausrüstung verliert. Zum Glück hat Rom die gleichen Schmiedewerkstätten wie Florenz und Venedig im Vorgänger. Beim Schmied kauft er Waffen und Rüstungsteile. Zu Beginn führen die Geschäfte nur einfache Teile, mit fortschreitender Handlung wächst das Angebot. Auch die anderen Händler aus dem zweiten Teil sind zurück: Schneiderein bieten Köcher und Medizintaschen, Doktoren Heiltränke und Gifte, Kunsthändler Bilder und Schatzkarten.
Die Auslage in den Geschäften hängt nur zum Teil vom Fortschritt der Hauptmissionen ab. Ebenso wichtig ist der Ausbau beziehungsweise die Eroberung Roms. Anfangs kontrollieren die Borgias alle Stadtviertel. Zeichen der Macht ist jeweils ein von Soldaten umgebener Wachturm, dem jeweils ein Anführer zugeordnet ist. In einer frühen Mission lernt Ezio, wie er ein Quartier befreit: Zunächst muss er den Anführer besiegen und anschließend den Wachturm erklimmen und dessen Spitze als Zeichen für den Sieg über die Unterdrücker in Flammen setzen.
Das Erobern der weiteren Stadtgebiete ist optional, hat aber zahlreiche Vorteile. Dank des für die Besetzer verlorenen Postens existieren weniger Wachsoldaten, die den Assassinen bei seiner Tätigkeit gefährden. Außerdem gibt es über die Stadt verteilt Geschäfte, die von den Borgia geschlossen wurden und gegen eine Reparaturgebühr die Arbeit wieder aufnehmen. Je mehr Geschäfte einer bestimmten Art geöffnet sind, umso größer ist deren Angebot und umso günstiger die Preise. Zudem verdient Ezio ähnlich an den Geschäften mit wie in „Assassin’s Creed II“ an der Infrastruktur in Monteriggioni, der damaligen Basis.
Anders als im Vorgänger behält das Geld länger seine Bedeutung. Seinerzeit gab es bald mehr Einnahmen als der Assassine in Ausrüstung oder Renovierungen investieren konnte. Der Gewinn aus den renovierten Geschäften ist nach wie vor beträchtlich, sodass sich eine frühe Investition in den Bereich schnell bezahlt macht. Rom bietet aber deutlich mehr Möglichkeiten das Geld auszugeben. So darf der Protagonist die Restauration von während der Borgia-Herrschaft heruntergekommenen Wahrzeichen wie dem Pantheon oder dem Kolosseum unterstützen – Investitionen, die wohl auch die gegenwärtige italienische Regierung mit Kusshand annehmen würde.
So mager der zentrale Handlungsstrang ist, so abwechslungsreich offenbaren sich die optionalen Aufgaben. Die letzten Stadtviertel werden die meisten Spieler erst nach dem Beenden des zentralen Erzählfadens befreien. Jede Fraktion hat zudem ihre eigenen Nebenmissionen. So verprügelt Ezio beispielsweise im Auftrag der Kurtisanen einen großmäuligen Möchtegernzuhälter. Die Unterschiede zwischen den zentralen und den optionalen Missionen sind gering. Häufig muss der Assassine unerkannt eine Person aufspüren und – der Berufsbezeichnung treu – beseitigen. Weitere Aufgaben sind das Beschatten von Personen oder das Befreien Verbündeter. Dafür darf er in einer Sequenz Lucrezia Borgia als Geisel nehmen, in einer anderen nimmt er als Statist getarnt an den Passionsspielen im Kolosseum teil.
Das Schleichen auf leisen Sohlen im Schatten hat eine geringere Bedeutung als in Hideo Kojimas (vgl. Metal Gear Solid lässt ihm keine Ruhe) Metal Gear Solid. Der Assassine taucht – wie schon in den ersten beiden Teilen – meist in der Öffentlichkeit unter. Dafür mischt er sich unter Personengruppen um unerkannt zu bleiben. Als nettes Gimmick wird der Spieler beim Abtauchen in der Menschenmenge Ohrenzeuge von Unterhaltungen. Je nach Spielsituation sind beispielsweise die inzwischen stadtbekannten Taten des Protagonisten das Thema der Straßengespräche.
Ein eigener Satz optionaler Aufgaben hängt mit Leonardo DaVinci zusammen. Dabei orientiert sich das Spiel an den Geschichtsbüchern: Geldsorgen treiben Leonardo dazu als Militäringenieur für Cesare Borgia zu arbeiten. Ezio Auditore sucht die Apparate in Feindeshand, die offensichtlich nicht historisch, aber halbwegs glaubhaft sind. Jede Gerätschaft führt zu einer Art eigenem Minispiel. Beispielsweise erhält der Flugdrache aus dem zweiten Teil in verbesserter Form ein Comeback. Die Verfolgungsjagd auf einem Schnellfeuerwagen der Renaissance erinnert ein wenig an Sonys Uncharted – vom leisen Dolchmörder ist dabei nichts zu spüren.
Neben den Missionen gibt es viele weitere Beschäftigungen. Über die ganze Stadt sind zahlreiche Sammlerstücke in Form von Federn und Borgia-Fahnen verteilt. Im späteren Spielverlauf bieten die Kunsthändler als Hilfe bei Aufspüren der letzten Exemplare eigene Schatzkarten an. Aufgrund des oben genannten seinerzeitigen Überflusses an Geldmitteln verlor die Suche nach den Truhen, für die es bereits damals eigene Karten gab, in „Assassin’s Creed II“ bald ihren anfänglichen Reiz. In „Brotherhood“ bleibt die Schatzsuche bis zum Ende attraktiv. Dafür sorgen vor allem die Shop-Quests: Für einige Ausrüstungsstücke und Karten verlangen die Händler zunächst Gegenstände von ihrem Stammkunden. Einige findet Ezio eben in den versteckten Truhen. Für andere muss er Wegelagerer besiegen oder Taschendiebe fangen.
Dass „Assassin’s Creed Brotherhood“ dieselbe Engine wie der Vorgänger verwendet, ist deutlich erkennbar. Vieles wirkt bekannt, manches recycled. Gerade hinsichtlich des Open-World-Anteils haben die Entwickler von Ubisoft Montreal die vorhandenen Mittel aber deutlich besser eingesetzt. Das Erobern der Wachtürme ist eine größere Herausforderung und damit auch mit größeren Erfolgserlebnissen verbunden als das Besteigen der Aussichtspunkte. Auch diese unbewachten Posten existieren, aber deutlich seltener und dafür schwerer zu erreichen.
Die Glyphen aus dem zweiten Teil kehren ebenso zurück: Versteckte Botschaften, die Ezio nur in der speziellen Adleraugen-Ansicht erkennt. Insgesamt sechzehn dieser Zeichen muss der Spieler finden und die entsprechenden Puzzles, die ähnlich wie in „Assassin’s Creed II“ funktionieren, lösen.
Ein neues und dennoch bekanntes Element sind die Romulus-Verstecke. Der Spieler durchsucht sie nach Schlüsseln, mit denen er schließlich eine Schatzkammer öffnet. Sie entsprechen weitgehend den Grabkammern aus „Assassin’s Creed II“. Wie diese sind sie mehr auf das Klettern, Springen, einfache Schalter-Puzzles und die Suche nach dem richtigen Weg ausgelegt als auf Kämpfe. Spielerisch zeigen sie eine gewisse Nähe zu den ebenfalls von Ubisoft Montreal entwickelten "Prince-of-Persia"-Titeln (vgl. Der Krummschwert-Akrobat).
Hinsichtlich der Bewegung und Kämpfe setzen die Entwickler auf die Basis des Vorgängers, haben aber besonders das Kampfsystem erweitert. Der Assassine kann Angriffe kontern und wird für eine offensive Vorgehensweise belohnt, die effizienter ist als zuvor. Die Kämpfe sind abwechslungsreicher, aber eher noch leichter als in „Assassin’s Creed II“. Sofern die Missionsbeschreibung nicht verlangt, dass der Protagonist unerkannt bleibt, stellen die Wachen keine wirkliche Gefahr dar.
Der Fernkampf bekommt durch die Armbrust als neue Waffe einen stärkeren Reiz. Auch sie ist allerdings beinahe ein wenig zu mächtig, da Ezio Gegner mit ihr aus der sicheren Deckung mit einem Schuss ausschaltet.
Hinzu kommt die Brotherhood, die den Assassinen unterstützt. Dazu visiert der Spieler eine Wache an und drückt einen Knopf am Gamepad, worauf die Mitstreiter nach feinster Asssassinenmanier aus dem Nichts auftauchen und die Wache sowie deren Mitstreiter attackieren. Sobald Ezio sechs Gefolgsleute hat, kann er sogar einen Pfeilhagel befehlen, der alle Wachen im Gesichtsfeld ausschaltet.
Die Bruderschaft bietet eine weitere Nebenbeschäftigung. Zunächst sucht Ezio seine Mitstreiter unter den unterdrückten Bürgern Roms. Hilft er einem Bewohner gegen die Belästigung durch Borgia-Wachen, tritt dieser dankbar der Assassinengilde bei. Für die Unterstützer gibt es ein recht einfaches Rollenspielsystem: Sie beginnen auf Level 1 und müssen neun Level durchlaufen, bevor sie zum vollwertigen Assassinen werden. Der Spieler darf sie zum Sammeln von Erfahrung auf Missionen quer durch Europa schicken, während denen sie als Mitstreiter für eine Weile nicht zur Verfügung stehen. Als Bonus bringen sie neben den gewonnen Erfahrungspunkten von erfolgreich absolvierten Aufträgen Geld und teilweise Gegenstände für die Shop-Quests mit. Rein theoretisch können die Mitglieder der Brotherhood auch sterben, was aber eine waghalsige Vorgehensweise erfordert.
Es gibt noch viele Details, deren Aufzählung den Rahmen eines Artikels schlicht sprengen würden. Auf jeden Fall sei aber noch der Mehrspielermodus genannt, der den Spieler entweder zum Jäger oder Gejagten macht. In zwei Varianten gleich zu beidem gleichzeitig: Er bekommt in einer Variante solo in einer anderen als Teammitglied jeweils ein Ziel zugewiesen, das er ausschalten muss. Dabei ist er jedoch selbst wiederum Ziel eines anderen Spielers beziehungsweise Teams. Dies führt zu einem interessanten Katz-und-Maus-Spiel, da jede Attacke zum Verlust der eigenen Tarnung führt.
„Assassin’s Creed Brotherhood“ verwendet so viel Bekanntes, dass es mehr wie eine Erweiterung als ein eigenständiges Spiel wirkt. Diese ist allerdings extrem umfangreich und beinhaltet insgesamt bereits ohne den Multiplayer-Part mehr Spielinhalte als „Assassin’s Creed II“. Ubisoft hat den Open-World-Aspekt deutlich ausgebaut. Rom ist sehr groß und fast alles wird zur Spielwiese. In einer Mission erklimmt der Assassine das Kolosseum, eine andere führt ihn in das Innere des Vatikan. Das Befreien der Stadtviertel und der Wiederaufbau Roms beschert immer wieder Erfolgserlebnisse. Abgeschlossene Aufgaben öffnen stets wieder neue.
Die Hauptgeschichte selbst ist deutlich schwächer als in den ersten beiden Titeln. Die einzelnen Missionen sind für sich betrachtet interessant und abwechslungsreich, aber es mangelt an einem vernünftigen roten Faden und dem Anreiz, die Story voran zu bringen. Der Schwierigkeitsgrad, besonders in den Kämpfen, ist niedrig. Das Erobern der letzten Wachtürme und einige Missionen bringen aber durchaus spielerische Herausforderungen. Dafür sorgen auch die optionalen Zusatzanforderungen, die nicht für das Weiterkommen notwendig sind, dem ehrgeizigen Gamer aber einen zusätzlichen Anreiz bieten. Beispielsweise muss der Assassine dafür während eines Auftrags komplett unerkannt bleiben oder darf nur das eigentliche Ziel töten, dessen Wachen aber am Leben lassen. Erfüllt er die Anforderung, gilt die Aufgabe als 100 % synchronisiert, verletzt aber die Zusatzoption, wird sie mit 50 % gewertet. Jede abgeschlossene Mission darf der Spieler später erneut versuchen.
Unter dem Strich ist „Assassin’s Creed Brotherhood“ ein hervorragendes Spiel, das zahlreiche Stunden mit immer wieder neuen Anreizen zum Weiterspielen motiviert. Das Beenden der Hauptgeschichte ist dabei nur ein Häkchen unter vielen auf der To-Do-Liste. Der Mehrspielermodus ist ein zusätzliches Bonbon für diejenigen, die ihre Schleichkunst mit menschlichen Gegnern messen möchten.
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