Bürgergeld-Sanktionen und Steuergeschenke

Symbolbild "Reich und Arm"

Trotz mangelnder arbeitsmarktpolitischer Wirkung beherrschen Sanktionen die Debatten um das Bürgergeld. Doch wer hängt wirklich in der steuerbegünstigten Hängematte ab?

Immer wieder beherrscht die Debatte über die angeblich erschreckend hohe Anzahl von Menschen in Bürgergeld, die jedes Arbeitsangebot ablehnen und daher oftmals als "Totalverweigerer" bezeichnet werden, die politische und mediale Aufmerksamkeit. Wie im ersten Teil dargelegt, wird dieses Problem zu einem Popanz aufgeblasen.

Im gleichen Atemzug werden Millionen Menschen, die für ihr bitteres Leben im Bürgergeld nichts können, herabgewürdigt und beschimpft. Die tatsächliche Zahl der "Totalverweigerer" ist in der Debatte eher selten zu hören.

Die Null-Toleranz-Politik, die gerne als Allheilmittel dargeboten wird, mag bei falschen Zahlen vielleicht auf dem Papier sinnvoll erscheinen, übersieht aber bewusst oder unbewusst zwei grundlegende Probleme.

Bürgergeld reicht nicht für gesunde Ernährung

Das Bürgergeld ist laut eines vom Bundessozialministerium geförderten Gutachten, das die Regierung weiterhin unter Verschluss hält, nicht ausreichend, um eine gesunde Ernährung zu ermöglichen.

Jede Politikerin und jeder Politiker sollte sich also vielleicht zweimal überlegen, ob harte Sparmaßnahmen beim Bürgergeld gesamtgesellschaftlich eine wirklich gute Idee sind, wenn ihm oder ihr die Gesundheit der Menschen am Herzen liegt ‒ oder doch wenigstens das Budget für das Gesundheitswesen, das natürlich weniger beansprucht wird, je besser die Gesundheit der Menschen ist.

Den Geldhahn abzudrehen, mag als naheliegende Strafe für Menschen angemessen erscheinen, die sich scheinbar mit einem Cocktail in der sozialen Hängematte dauerhaft häuslich eingerichtet haben. Aber inwiefern wirken Sanktionen tatsächlich und "bringen Menschen in Arbeit"?

Bestenfalls geringe Wirkung von Sanktionen

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zitiert mehrere Studien, von denen keine einzige einen generell positiven Effekt von Sanktionen nachweist. Verschiedene kommen im Gegenteil zu negativen Ergebnissen: In "einigen Fällen" hatten die Sanktionen "schwerwiegende negative Folgen für die Lebenslagen" der Sanktionierten, ist dort zu lesen.

Es trete häufig eine "lähmende Wirkung" ein und nur in wenigen Fällen hätten die Sanktionen eine erhöhte Anpassungsbereitschaft zur Folge. Die "erzieherischen" Wirkungen von Sanktionen auf Verhalten und Verhaltensdispositionen ließen sich nicht als "Aktivierung" oder als Stärkung von "Eigenverantwortung" interpretieren."

Der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) kommt in multivariaten Analysen zu dem Ergebnis, dass Sanktionen einen kleinen, aber messbaren Effekt haben können. Dabei wird allerdings nicht berücksichtigt, wie lange die Integration in den Arbeitsmarkt anhielt und wie nachhaltig sie war.

"Ein zweischneidiges Schwert"

Die Tagesschau interviewte Joachim Wolff, Leiter des Bereichs Grundsicherung und Aktivierung beim IAB, zu dem Thema. Er sagt: "Inzwischen gibt es eine ganze Reihe Studien, die zeigen, dass durch Sanktionen Übergänge in Beschäftigung kurzfristig erhöht werden. (…) Das Ganze ist aber ein zweischneidiges Schwert."

Der Hintergrund dieser Aussage besteht aus einer ganzen Reihe unerwünschter Nebenwirkungen von Sanktionen: Eine IAB-Studie kommt beispielsweise zum Ergebnis, Sanktionen führten zwar dazu, dass Menschen schneller einen Job finden als Nicht-Sanktionierte. Paradoxerweise kehrt sich dieser Effekt aber langfristig um: In einem Fünfjahresvergleich sind Sanktionierten etwas häufiger ohne Arbeit. Nicht zuletzt verdienen sie auch weniger als Nicht-Sanktionierte.

Eine aktuelle Studie des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsforschung zeigt, dass Sanktionen nicht mehr Menschen "in Arbeit bringen". Zudem gehen sie mit einer Reihe von negativen Wirkungen einher, wie der Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit der Betroffenen.

Gesundheitsgefahren durch Bürgergeld-Sanktionen

Bei der Lust an harten Sanktionen gegen Bürgergelder ist es schon erstaunlich, dass diese Maßnahmen, die alle Jahre wieder als Lösung für einen maroden Haushalt gepriesen wird, nicht auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, die die positive Wirkung des Allheilmittels Sanktionen belegen.

Stefan Wagner, Arbeitsanleiter der Wetzlarer Arbeitsloseninitiative WALI im hessischen Lahn-Dill-Kreis, macht auch auf ein wichtiges, aber oft übersehenes Problem der Sanktionen aufmerksam. In der Tagesschau berichtet er, dass er bei WALI oft mitbekomme, dass viele Angst haben, den Briefkasten zu leeren oder ihre Post aufzumachen.

Sollte es in einer schlechten Phase doch mal zu einem Jobangebot kommen, das dann übersehen wird, stünden die Betroffenen ganz schnell vor dem Nichts. Mit möglicherweise dramatischen Folgen: Verschuldung, soziale, psychische oder gesundheitliche Probleme verschärfen sich.