Bundesregierung: Keine Erkenntnisse über russische Angriffspläne
Nach einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion sieht die Bundesregierung offenbar keine militärische Bedrohung für Polen oder die baltischen Staaten, aber bleibt bei ihrer Haltung
In einer Kleinen Anfrage wollten Andrei Hunko und die Linksfraktion im Bundestag von der Bundesregierung wissen, wie sie die weiteren Beziehungen zu Russland gestalten will. Dabei geht es u.a. um den "gesamteuropäischen Raum", von dem Michail Gorbatschow 1989 als Vision gesprochen hatte. Wladimir Putin hatte diese Idee 2010 aufgegriffen und eine "harmonische Wirtschaftsgemeinschaft von Lissabon bis Wladiwostok" als Möglichkeit genannt. 2014 kam es über die Ukraine zum großen Bruch mit Russland und den von den USA und anderen Nato-Partern maßgeblich betriebenen Druck, die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland möglichst einzuschränken, was zuletzt am Widerstand gegen Nord Stream deutlich wurde.
Die Linksfraktion plädiert in der Anfrage für eine neue Entspannungspolitik und fragt, was dem entgegensteht. Gefragt, welche "Abschreckungsmaßnahmen gegenüber Russland" die Bundesregierung eigenständig und welche sie in Kooperation mit Partnern durchgeführt habe, will sie gewissermaßen kein Blatt zwischen sich und die Partner bringen und verweigert die Ausdifferenzierung. Sie hätte sagen müssen, dass Deutschland keine eigenständigen Maßnahmen verhängt hat, was womöglich aber bedeuten würde, dass sie nicht in der Lage ist, eigenständig zu handeln, sondern zumindest offiziell nur konform mit den Partnern, d.h. vor allem mit den USA und den baltischen und osteuropäischen Ländern handelt.
Die Bundesregierung stellt sich in ihrer Antwort, die Telepolis vorliegt, hinter die Nato und nennt die "völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die andauernde Destabilisierung der Ostukraine" als Grund für die Aufrüstung an der russischen Grenze. Das sei alles völlig "defensiv" und ein "zweigleisiger Ansatz von Abschreckung und Dialog". Was das Gleis des Dialogs betrifft, kann die Bundesregierung aber nicht wirklich etwas vorweisen. Definitiv sagt sie, deutsch-russische Regierungskonsultationen seien nicht geplant, man halte aber "politische Gesprächskanäle" offen und habe sich dafür eingesetzt, dass der Nato-Russland-Rat wieder getagt habe.
Interessant ist, dass die Bundesregierung offenbar nicht wirklich von einer russischen Bedrohung ausgeht, obgleich sie dauernd beschworen wird. Gefragt, ob sie "konkrete Hinweise", auch geheimdienstliche, habe, dass Russland eine militärische Invasion in die baltischen Staaten und Polen vorhat oder dass es solche Pläne oder Absichten gibt, antwortete die Bundesregierung, dass ihr "hierzu keine Erkenntnisse vorliegen". Da kann man sich dann schon fragen, warum die Nato eben dort Militär angeblich zur Abschreckung auffahren ließ.
Schon länger wird in Nato-Kreisen gemunkelt, Russland könne vorhaben, die baltischen Staaten auf dem Landweg an der so genannten "Suwalki-Lücke" vom Rest der Nato abzuschneiden. Wenn der Bundesregierung dazu keine Kenntnisse vorliegen, lässt sie die Bedrohungsszenarien der Nato als Propaganda und vorgeschoben erscheinen.
Die Bundesregierung versichert auch, sie habe "keine Erkenntnisse" dazu, dass Russland die Absicht habe, Nato-Staaten wie Polen oder die baltischen Länder mit konventionellen Waffen anzugreifen. Gefragt, ob Russland überhaupt die militärischen Kapazitäten besäße, Nato-Staaten wie Polen oder die baltischen Länder "erfolgreich und dauerhaft zu okkupieren", heißt es zurückhaltend, Russland könne schon über die eigenen Grenzen hinauswirken. Aber eine solche Frage wird als hypothetisch bezeichnet, worauf man prinzipiell nicht antworte. Die Befürchtung, Russland könne das Krim-Szenario im Baltikum wiederholen, wurde in Nato-Kreisen öfter geäußert. Nun wissen wir, das ist so hypothetisch, dass sich eine Antwort nicht lohnt.
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