Bundesregierung will Patent auf Chimären prüfen
Konferenz der Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens will nicht über Biopatente sprechen
Auch die Bundesregierung schaltet sich wegen des vom Europäischen Patentamts erteilten Patents, das sich auch auf die Verwendung von "embryonalen Stammzellen von Menschen, Mäusen, Vögeln, Schafen, Schweinen, Rindern, Ziegen oder Fischen" zur Erzeugung von Chimären erstreckt, und will es vom Deutschen Patent- und Markenamt prüfen lassen.
Thomas Weber, Sprecher des Bundesjustizministeriums, erklärte gestern, dass man dann, wenn ein Verstoß vorliegt, "das Erforderliche einleiten" werde - während das Ministerium noch immer nicht in der Zeit des von der Regierung so geförderten Internet angekommen ist und die Mitteilungen auch online veröffentlicht. In dieser Beziehung kann die Bundesregierung, die mit der Losung "Deutschland .com" noch immer wirbt, noch immer einiges für Transparenz und demokratische Öffentlichkeit leisten.
Allerdings relativierte Weber die von Greenpeace inszenierte Aufregung zurecht, indem er darauf hinwies, dass das Patent EP 380646 eine "Altlast" sei. Bereits 1989 wurde es beantragt, wahrscheinlich noch vor jeder Möglichkeit, wirklich Chimären herstellen zu können. Genehmigt wurde es 1998 und Anfang 1999 veröffentlicht. Wahrscheinlich würde es, so Weber, nach der neuen europäischen Biopatent-Richtlinie nicht mehr gewährt werden. In Deutschland mit seinem strengen Embryonenschutzgesetz ist freilich schon die Verwendung von menschlichen embryonalen Stammzellen verboten.
Allerdings ist der Patentantrag sehr weit gefasst, um alle möglichen Ansprüche abwehren zu können, allerdings geht es nicht um die Herstellung von Chimären, sondern um ein "Verfahren zur Isolation von Stammzellen von tierischen Embryos in vitro, das die Einpflanzung und Aufzucht dieser Embryos in einem Nährboden betrifft, der eine wirksame Menge des Leukämie-Inhibitionsfaktors (LIF) während einer Zeit und unter Bedingungen enthält, die für die Entwicklung der genannten embryonalen Stammzellen ausreichend ist." Ziel ist also die Entwicklung von Medikamenten oder von Transplantationsorganen (Greenpace ist wieder fündig geworden).
Weber unterstützte die Arbeit von Greenpeace, die das Patent "entdeckt" und der Öffentlichkeit einen Tag vor Beginn der Konferenz der Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) in München veröffentlicht hat, und hob hervor, dass sei ein "zivilgesellschaftliches Engagement ganz im Sinne der Bundesregierung". Auch die CDU lässt sich nicht lumpen. Katherina Reiche, zuständig in der CDU für Humangenetik, dass ein solches Patent nicht gültig sei, da es gegen die "ordre public"-Klausel der EU-Biopatentrichtlinie verstoße: "Ich warne jedoch die Bundesregierung davor, diesen Vorfall zum Anlass zu nehmen, den gerade erst vom Bundeskabinett verabschiedeten Beschluss zur vollständigen Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie in deutsches Recht zu verhindern. Die u.a. von Greenpeace und den bayerischen Grünen vorgetragenen Argumente zielen offenkundig darauf ab, über den untauglichen Umweg des Patentrechts, Bio- und Gentechnologie in Deutschland und Europa zu bekämpfen."
Die Grünen gehen ins Grundsätzliche und erklärten, so die agrar- und verbraucherpolitische Sprecherin Ulrike Höfken, dass das "Patentrecht in Bezug auf lebende Organismen und biologisches Material grundlegend überarbeitet werden (muss). Die EPÜ-Konferenz debattiert über die falschen Punkte. Die entscheidende Frage, inwieweit das bestehende Patentrecht den Anforderungen des biotechnologischen Zeitalters noch gerecht wird, wird gar nicht erst gestellt." Kritisiert wir die Intransparenz des Patentierungsverfahrens: "Es darf nicht von der Findigkeit einiger Greenpeace-Aktivisten abhängen, die in Tausenden von Aktenseiten Fehlentscheidungen aufspüren, ob entgegen der guten Sitten und geltenden Gesetze Patente auf Embryonen oder Chimären vergeben werden."
Biopatente sind allerdings nicht als Thema der Konferenz vorgesehen. Immerhin durfte Christoph Then, der Gentechnikexperte von Greenpeace, nach den Protesten zumindest kurz als Redner zugelassen, um die Patenterteilungen für Tiere und Pflanzen zu kritisieren. Gleichwohl verweigerten sich die anwesenden Delegierten, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen: "Nun sind die Fronten verhärtet", sagte Then, "selbst die deutschen Delegierten haben sich nicht gerührt, obwohl Justizministerin Herta Däubler-Gmelin die Praxis des EPA kritisiert hat". Und obwohl nun auch noch nachträglich Weber die Greenpeace-Aktivisten zu gelobt hat. Greenpeace fordert von den Regierungen, auf ihre Delegationen einzuwirken und eine wirkungsvolle politische Kontrolle des Amtes sicher zu stellen. "Besonders die deutsche Justizministerin", warnt Then, "droht zu einer echten Enttäuschung zu werden."