Bundestagswahl 2021: Lehren für die Zeit nach Merkel

Seite 2: Ausdruck einer schwindenden Debattenkultur

Das Ergebnis der Bundestagswahl 2021 und die herben Verluste an beiden Enden des politischen Spektrums sind auch Ausdruck einer schwindenden Debattenkultur. Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem stillen Autoritarismus wurden inhaltliche Diskussionen oder gar Streits stets unterbunden.

Gegen die stoische Phalanx der Bundeskanzlerin und ihrer Getreuen kam gut eineinhalb Jahrzehnte lang niemand an. Was zunächst als Stabilität wahrgenommen wurde, hat dem Land womöglich nachhaltiger geschadet als bislang ersichtlich ist.

Im Wahlkampf fehlten nicht nur auf den Plakaten und in den Debattenrunden erkennbare inhaltliche Auseinandersetzungen. Die Idee, dass sich eine lebendige Demokratie vom Streit nährt, scheint nicht erst in den vergangenen Wochen und Monaten abhandengekommen zu sein.

Die Parteizentrale der Linken versuchte in einer ersten reflexartigen Reaktion am Wahlabend jede Kontroverse zu unterbinden. Die Polarisierung und Fokussierung auf die Kanzlerfrage sei der Grund für das krachende Scheitern, hieß es von dort. Kein Wort von Grabenkämpfen, Diffamierungen und Parteiausschlussverfahren der vergangenen Monate; keine inhaltliche Aussage.

Ein Wählerauftrag sollte fernab aller Trauer über verlorene Mandate und des nun beginnenden Geschachers um Posten nicht übersehen werden: Nicht nur die Parteien und Fraktionen, sondern die Gesellschaft als Ganzes muss in der Post-Merkel-Ära wieder zu einer gesunden politischen Streitkultur zurückfinden. Ohne Unterdrückung von Debatten, ohne Diffamierung und Ausgrenzung Andersdenkender und immer innerhalb gesellschaftlich ausgehandelten Grenzen des Erlaubten.

Es wird spannend zu beobachten sein, ob der 20. Deutsche Bundestag diesen Auftrag wahrnimmt. Und wie sich die politische Kultur nach 16 Jahren der Kanzlerschaft Angela Merkels entwickelt.