Bundeswehr: Mehr Etat, mehr Soldaten?
Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels und der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, fordern eine Aufstockung
Die Debatte über eine Verstärkung der Bundeswehr ist schon länger am Laufen. Zuletzt hatten sich Mitglieder der Unionsfraktion Anfang Dezember für eine Vergrößerung ausgesprochen. "Um den Bedrohungen zu begegnen, ist dieser Umfang nicht mehr ausreichend", mahnte der Verteidigungsexperte Henning Otte (CDU) und Ex-Generalinspekteur Harald Kujat skizzierte die Größenordnung: "190.000 Soldaten sind das Minimum, 200.000 das Optimum."
Eine YouGov-Umfrage wurde im März als Signal für einen Einstellungswandel in der Bevölkerung verstanden und in Berichten aufbereitet: 49 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Erhöhung des Verteidigungsetats aus. Eine Wende, hieß es, waren doch im Januar 2015 noch 48 Prozent gegen eine Erhöhung des Militärbudgets und nur 35 Prozent dafür. Die Fragestellung der Umfrage lautete: "Sollte aufgrund der Vielzahl von Konflikten weltweit die Bundeswehr mehr Geld bekommen?". Möglicherweise erleichterte sie ein "Ja" (Mehr Geld für die Bundeswehr?).
Zu Weihnachten gab es jetzt eine neue YouGov-Umfrage zum selben Thema. Die Fragestellung lautete diesmal:
Die Bundeswehr ist in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich verkleinert worden. Jetzt wird angesichts der veränderten weltweiten Sicherheitslage darüber diskutiert, sie wieder zu vergrößern. Würden Sie eine Aufstockung der Truppenstärke für richtig halten oder nicht?
Das "angesichts der Fragestellung nicht unbedingt überraschende Ergebnis" (Spiegel): 56 Prozent sind für eine Aufstockung, 30 Prozent halten sie für falsch.
"Im roten Bereich"
Zu lesen ist von der YouGov-Umfrage in beinahe jedem Bericht, der gestern die Forderungen des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels und des Vorsitzenden des Bundeswehrverbands André Wüstner zum Gegenstand hatte. Die Überschriften in der Zeit, im Spiegel und in der SZ gaben den "Aufpassen- wir-sind- im-roten-Bereich- Alarm" einer der beiden Forderung gleich direkt weiter.
"Wir sind absolut im roten Bereich und es ist wichtig, dass die Ministerin, das Parlament jetzt nachsteuert", sagte der Verbandsvorsitzende Wüstner in einem ausgiebigen Interview mit dem Deutschlandfunk am Sonntag.
Wüstner plädiert dringlich darauf, die Bundeswehr angesichts gegenwärtiger Aufgabenstellungen zu verstärken. "Wir haben eine Lageänderung", so Wüstner. Mit dem jetzigen Personal und Material gehe es so nicht weiter. Die Etat-Vergrößerung, die Verteidigungsministerin von der Leyen bekommen habe, reiche nicht.
Viele hätten noch nicht verstanden, dass die Bundeswehr zur Einsatzarmee geworden sei und dass man "wieder einen Kurswechsel machen muss in Richtung Bündnisarmee als zentrale Aufgabe". Die Bundeswehr brauche 5.000 bis 10.000 Soldatinnen und Soldaten mehr, "um weiterführend für Anforderungen von außen an uns", definitiv gewappnet zu sein.
Ja, wir brauchen definitiv mehr Personal. Wir haben materielle wie personelle Lücken, die sind ganz klar offensichtlich. Wir haben Einheiten, Verbände, die sind nur zu 50 Prozent personell besetzt. Das hängt noch an dem mangelhaften Umbau zur Freiwilligenarmee Bundeswehr. Und deswegen kann ich nur hoffen - und das ist eine klare Forderung -, dass noch in dieser Legislatur nicht nur eine Organisationsanalyse gemacht wird, wie sie Frau von der Leyen jetzt, Gott sei Dank, beauftragt hat, die auch in drei, vier Monaten fertig sein soll, sondern dass man dann auch handelt und anpasst.
"Jetzt mal wieder umgedreht werden"
Auch der Wehrbeauftragte des deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), umschreibt die Situation mit einem alarmierenden Bild. Die Bundeswehr sei "seit 25 Jahren personell im freien Fall", zitiert ihn die Welt. Nach dem Schrumpfungsprozess der Bundeswehr von 600.000 vor der Wiedervereinigung auf die derzeitige Stärke von 178.000, müsse "jetzt mal wieder umgedreht werden. Es kann nicht weiter zurückgehen, es muss hoch".
Bartels plädiert für eine Verstärkung in einer ähnlichen Größenordnung wie Wüstner - um mindestens 7000 Soldaten. Dabei will er sich aber nicht auf eine genaue Obergrenze festlegen. Es müssten mindestens die 185.000 erreicht werden, die laut der Bundeswehrreform von 2010 als Ziel festgelegt wurden, aber das müsse nicht das Limit sein, so Bartels.
Aber warum nicht auch 187.000 oder sogar mehr? Man muss die Zahl erreichen, die nach den Strukturen, die ausgeplant sind, wirklich gebraucht wird.
Auch seiner Ansicht nach reicht die Etaterhöhung, die von der Leyen durchgesetzt hatte, von 33 Milliarden auf 35 Milliarden, nicht aus. Der Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde damit von 1,16 Prozent in 2015 auf 1,07 Prozent in 2019 fallen, rechnet er vor.
Bartels spricht sich dafür aus, "relativ zügig auf 1,2 Prozent kommen". Das ist noch um einiges von der 2-Prozent-Marke entfernt, welche die Nato als Ziel gesetzt hat, wird dazu ergänzt. Ob eine Fragestellung, die die Aufstockung der Truppenstärke in engen Zusammenhang mit Anforderungen der Nato bringt, in Umfragen genauso große Zustimmung findet?